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Clara Wieck spielt Goethe vor Und die Reisekasse ist wieder gefüllt

Weimar, 1. Oktober 1831: Angespannt steht Friedrich Wieck hinter seiner Tochter. Während ihre Finger artig über die Klaviatur tanzen, behält er den alten Goethe genau im Auge. Der 82-Jährige lehnt in einem Sessel und lauscht Claras Spiel. Ob es ihm gefällt? Von dem Urteil des Dichters hängt viel ab.

Bildquelle: picture alliance / akg

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Bisher wurden die Wiecks in Weimar überall abgewiesen: keine Auftrittsmöglichkeit für die Zwölfjährige. Die Privataudienz bei Goethe könnte das ändern. Weck setzt auf seinen PR-Effekt. Und da huscht auch schon ein Lächeln über Goethes Gesicht: "Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen" — so soll der Dichter gestaunt haben. Am Abend schreibt Friedrich Wieck ins Tagebuch: "Er empfing uns sehr freundlich … Clara wurde aufgefordert zu spielen, und da der Stuhl vor dem Klavier zu niedrig war, holte Goethe selbst aus dem Vorzimmer ein Kissen und legte es ihr zurecht … Goethe fällte über die Komposition und das Spiel der Clara ein sehr richtiges Urteil, nannte die Komposition heiter und französisch pikant und rühmte Claras richtiges Eindringen in den Charakter."

Das Mädchen hat mehr Kraft als sechs Knaben zusammen.
Johann Wolfgang von Goethe

Bewusst hat Friedrich Wieck französisches Repertoire gewählt: Modern und effektvoll – eine Musik, die Goethe so beeindruckt, dass er an seinen Freund Carl Friedrich Zelter schreibt: "Ein Vater brachte seine flügelspielende Tochter zu mir, welche, nach Paris gehend, neuere Pariser Kompositionen vortrug; auch mir war die Art neu, sie verlangt eine große Fertigkeit des Vortrags, ist aber immer heiter; man folgt gern und lässt sich's gefallen."

Ein voller Erfolg

Am nächsten Tag ist Weimar wie verwandelt. Vater und Tochter Wieck werden auf der Straße gegrüßt, und es folgt umgehend eine Einladung zum Großherzog sowie ein Konzertangebot im Weimarer Stadthaus. Dort spielt Clara vor 500 Besuchern. Jetzt ist die Reisekasse ist wieder gefüllt. Und Goethe? Clara besucht ihn noch einmal. Zum Abschied schenkt er ihr eine Bronzemedaille mit seinem Bildnis – und einer Widmung: "Der kunstreichen Clara Wieck". Zufrieden brechen Vater und Tochter wieder auf – in Richtung Paris.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8:40 Uhr, um 12:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 01. Oktober 2024 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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