Beethovens Achte Symphonie bildet ein komplettes Kontrastprogramm zu den sie umrahmenden "titanischen" Symphonien Sieben und Neun. Sie klingt, als ob der Komponist, der ja bei Haydn Unterricht genommen hatte, noch einmal bei der Musik des 18. Jahrhunderts in die Schule des musikalischen Witzes gegangen sei. Wiebke Matyschok stellt mit dem Dirigenten Sir Roger Norrington das Starke Stück vor.
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Das starke Stück zum Anhören
Das Allegretto scherzando ist eine der Schöpfungen, für die man weder Modell noch Pendant finden kann. So etwas fällt als Ganzes in der Vorstellung des Künstlers vom Himmel; er schreibt alles aus einem Zug, und wir hören ihn mit großem Staunen.
Ein Witz, der vom Himmel gefallen war? So kam Monsieur Hector Berlioz aus Paris diese Musik vor. Der geniale Komponist des Fantastischen und Bizarren, ein außerdem geistreicher wie mit spitzer Feder zu Werke gehender Musik-Schriftsteller, staunte sehr. Statt eines langsamen Satzes erklang da – was für ein Witz! – ein "Allegretto scherzando". Scheinbar arglos daher kommend, doch tönt da hintergründiger Humor. Jedem blieb es selbst überlassen, im zweiten Satz der Achten in den Sechzehntel-Noten der Holzbläser ein Uhrwerk herauszuhören. Das ab und an ins Stocken geriet. Oder eben auch ein unerbittlich tickendes Metronom. "Auch hier, wie in allen Beethoven'schen Werken dieser Gattung, atmet jener eigentümliche Geist, wodurch sich seine Originalität stets behauptet", schrieb 1818 einer der ersten Hörer ein wenig ratlos über diese Symphonie.
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Beethoven war ein Mann des 18. Jahrhunderts.
Sir Roger Norrington | Bildquelle: Manfred Esser Sie ging unter neben einer anderen – der Siebten – und dem lauten Getöse eines musikalischen Schlachtengemäldes: Napoleons Niederlage im Konzertsaal. "Wellingtons Sieg" heißt dieses Orchesterwerk. Überhaupt schien die Achte Symphonie gegen alle Konventionen zu verstoßen – allein schon durch das leise Verklingen des Kopfsatzes. Der Dirigent Roger Norrington hat seine eigene Theorie zu dem Opus: "Nach Wagner und Strauss und so weiter man hat immer versucht, Beethoven in eine spätromantische Richtung zu tragen. Und darum hat man oft so langsam gespielt – weihevoll und langsam. Ja, Beethoven war romantisch. Aber er war eben auch ein Mann des 18. Jahrhunderts. Und die Achte Symphonie zeigt, dass er das nicht vergessen hat."
"Diese Symphonie machte – wie die Italiener sagen – keine Furore", fand ein zeitgenössischer Rezensent. Eben "weil sie viel besser ist", mutmasste der Wiener Pianist Carl Czerny. Zur Entstehungsgeschichte des Werkes ist kaum etwas bekannt. Nur ein paar Skizzen sind überliefert zu einem Klavierkonzert in F-Dur aus dem Jahr 1812. Das spukte vielleicht in Beethovens Kopf herum. Während eines Sommeraufenthalts schrieb er stattdessen vier Sätze einer Symphonie nieder.
Mit seiner 8. Symphonie hat Beethoven ein Lehrstück des musikalischen Humors geschrieben. Mit Originalität und Witz im Detail und für ihn ungewohnt leisen Tönen. So dass die ersten Hörer kaum wussten, wie ihnen geschah. Sollten sie lauthals loslachen? Oder leise schmunzeln? Lachende Philosophie eben. Gewitzt. Schnell. Brillant. So dass die Nachwelt glaubte, dieser Beethoven könne sich ganz einfach nur geirrt haben bei der Auswahl seiner Tempi. So auch im letzten Satz. Einem rasanten Rondo. Allegro vivace. Ganze Takte gleich 84 nach Mälzels Metronom. Scherzhafter Ernst? Ernsthafter Scherz? "Es ist fast unmöglich zu spielen", sagt Roger Norrington. "Es ist sehr, sehr schnell. Können Sie das spielen? Vielleicht nicht? Es ist sehr komisch.”
Ludwig van Beethoven:
Symphonie Nr. 8 F-Dur, op. 93
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart
Sir Roger Norrington, Leitung
Label: Hänssler Classic
Sendung: "Das starke Stück" am 22. März 2022, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK