Die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss gelten als dessen künstlerisches Vermächtnis. Ursprünglich waren sie von Strauss gar nicht als Zyklus gedacht und wurden nicht in der Reihenfolge komponiert, in der sie heute aufgeführt werden. Die Uraufführung konnte der Komponist nicht mehr miterleben. Florian Heurich sprach mit der Sopranistin Anja Harteros über die "Vier letzten Lieder".
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Das starke Stück zum Anhören
Die Weisheit des Alters und die Abgeklärtheit eines in sich ruhenden Menschen sprechen aus den "Vier letzten Liedern". Aber auch Abschiedsstimmung und das Bewusstsein, dass alles auf dieser Welt endlich ist. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs lebt Richard Strauss für mehrere Jahre in der Schweiz. Hier schreibt er die vier Lieder. Sein Sohn Franz habe ihm geraten, sich mit diesen Kompositionen über die schwierigen Lebensumstände der Nachkriegszeit hinwegzuhelfen, so heißt es.
Als persönliches Bekenntnis versteht der mittlerweile über 80-jährige Strauss ein Gedicht von Joseph von Eichendorf: "Im Abendrot". Ein altes Paar geht in Harmonie und innerem Frieden dem Tod entgegen. Wenn er die Verse sogar in sein Tagebuch notiert, dann hält er Rückschau auf seinen Lebensweg an der Seite seiner Frau Pauline. "Im Abendrot" beschließt die "Vier letzten Lieder" und ist doch das erste, das er komponiert hat, und auf das die anderen drei Stücke auf Gedichte von Hermann Hesse folgen.
Die Sopranistin Anja Harteros | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Vorahnung des Todes nimmt das durch Flötentriller geschilderte Zwitschern zweier Lerchen jegliche Schwere und Düsternis. Das Lied und damit der ganze Zyklus klingen zwar in melancholischer, aber doch versöhnlicher Stimmung aus. Die Musik weitet sich ins Transzendente. Todesahnung und Jenseitshoffnung sind in diesen Klängen vereint. Die Lyrik Hermann Hesses lernt Strauss erst nach dem Eichendorf-Gedicht kennen. Bei Hesse findet er einen Weg hin zu überzeitlichen, humanistischen, ein Menschenleben überdauernden Werten manifestiert. "Der Anfang von 'Frühling', „In dämmrigen Grüften träumte ich lang“ , das ist ja der Text", sagt die Sopranistin Anja Harteros. "Also es fängt im Grunde schon mit diesem winterlichen, melancholischen, etwas trübe gestimmten Klang an. Auch aus der Tiefe, so aus dem Nichts heraus. Und es schwingt sich dann eben in diese Euphorie und dieses Enthusiastische."
Auf die Frühlingseuphorie in der neu aufkeimenden Natur folgt jedoch sofort die Herbststimmung in einem ersterbenden Garten. Quasi im Zeitraffer werden in den "Vier letzten Liedern" die Kreisläufe der Natur durchmessen: Jahreszeiten, Tageszeiten, ein Menschenleben. Im dritten Lied "Beim Schlafengehen" schwingt sich die Gesangsstimme zu einem feierlichen Hymnus auf den Schlaf des Todes und die dadurch erreichte Freiheit der Seele auf. "Das Schöne bei den 'Vier letzten Liedern' ist, dass sie ein bisschen wie ein Requiem anmuten", erklärt Anja Harteros. "Mit den Dirigenten, mit denen man das macht, und auch bei den Musikern im Orchester spürt man, dass die das so ernst nehmen, weil es sozusagen das Letzte ist, was wir von diesem großen Meister bekommen haben. Da ist man eigentlich fernab von jeder Kritik; im Grunde sind wir dankbar, dass wir das musizieren dürfen, dass Strauss uns das noch geschenkt hat, das Werk. Das spüre ich immer sehr deutlich, wenn ich das Requiem von Verdi singe, oder auch bei den 'Vier letzten Liedern'. Da ist eine gewisse Ernsthaftigkeit und eine gewisse Demut bei allen Mitwirkenden zu spüren."
Richard Strauss - Vier letzte Lieder
Anja Harteros (Sopran)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons
Eigenproduktion des BR