Paris, 18. März 1861: Nach einigen Anläufen hat Richard Wagner es tatsächlich geschafft, seinen "Tannhäuser" an der Grand Opéra unterzubringen. Er ist nervös. Weil es ist ihm schon klar, dass die Franzosen seiner Musik gegenüber, sagen wir mal, kritisch eingestellt sind. Außerdem tritt er in direkte Konkurrenz zu dem überaus berühmten Giacomo Meyerbeer, dem Platzhirsch an der Grand Opéra. Und jetzt soll er auch noch ein Ballett in die Oper einbauen, sagt der Intendant. Ein Ballett? Niemals! Ein Bacchanal muss reichen – ein bisschen was Tänzerisches für die Lustgrotte der Liebesgöttin….
Bildquelle: picture-alliance / Leemage | Bianchetti Stefano
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(Bild: Inszenierung des "Tannhäuser" in Paris 1861. Zeichnung von Alphonse de Neuville)
Mit sehr, sehr langen Proben quält Wagner die Musiker, sie motzen, eine Zumutung, die Stimmung verdüstert sich. Wagner wird langsam zum Stadtgespräch und der Intendant freut sich: Das könnte einen Skandal geben …
Dann: die Premiere. Die Ouvertüre ist kein Problem, dann aber – Bacchanal? Kein Ballett? Das bedeutet: Tumult. Die Herren des Pariser "Jockey Club" sind erzürnt. Denn sie sind schließlich nicht wegen der Musik hier, sondern wegen der springenden Nymphen und Tänzerinnen, die sie erst zu beobachten und danach hinter den Kulissen zu besuchen gewohnt sind. Also müssen sie ihrem Ärger Luft machen und die gesamte Vorstellung mit Trillerpfeifen stören. Minutenlang und immer wieder.
Als wäre diese Demütigung nicht schon genug, muss Richard Wagner am nächsten Tag auch noch lesen, dass sich die Zeitungskritiker lustig machen über ihn. Über vermeintlich schwache Dialoge und vermeintlich langatmige und langweilige Musik. Nach der dritten Vorstellung zieht er seine Oper zurück, verbietet jede weitere Aufführung und reist ab. Und die Pariser? "Wir überlassen Wagner gerne seinem musikalisch reformerischen Wirken", werfen sie ihm auch noch hinterher. "In Paris jedenfalls werden wir vor ihm für einige Zeit Ruhe haben."
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Wagner : Tannhäuser : Ouverture et Bacchanale du Venusberg (Orchestre national de France)
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Sendung: "Allegro" am 18. März 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK