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Sergej Rachmaninow Sein letztes Konzert in Europa

Luzern, 11. August 1939. Sergej Rachmaninow raucht eine Zigarette, trinkt Kaffee, saugt den Rauch tief in die Lungen, trinkt noch mehr Kaffee. Seine Nerven liegen blank, wie immer an Konzerttagen. Heute ist sein erster Auftritt bei den Internationalen Luzerner Musikfestwochen. Nach Rachmaninows Emigration in die USA, wo er sich nicht wirklich wohl fühlt, hat er in der Schweiz seine zweite Heimat gefunden. Und so oft wie möglich reist er hierher. Allerdings lieber zum Komponieren, nicht zum Konzertieren.

Bildquelle: picture-alliance / akg-images

Die Sendung zum Anhören

Rachmaninow zündet sich eine weitere Zigarette an und geht in den Garten. Lärchen, Silbertannen, Birken, Ahornbäume und Trauerweiden – alles hat er selbst ausgesucht, damit es am Vierwaldstätter See fast genauso aussieht wie früher, in seinem russischen Landgut Iwanowka. Rachmaninow liebt dieses Fleckchen Erde, wo er sich eine moderne Villa hat erbauen lassen, mit allen Sperenzchen, wie Fahrstuhl, Ölheizung und ein paar eleganten Autos in der Garage.

Ich gehe durchs Haus und fühle mich wie ein Millionär. Obwohl nicht jeder Millionär so ein Haus hat!
Sergej Rachmaninow über seine Schweizer Villa

Pfefferminzlikör gegen Lampenfieber

Weniger millionenschwer, eher schwer wie ein Wackerstein liegt ihm nun dieses Konzert im Magen. Ernest Ansermet dirigiert. Erst spielt Rachmaninow Beethovens 1. Klavierkonzert. Und dann ein eigenes Werk: Die "Rhapsodie über ein Thema von Paganini" mit 24 Variationen. Rachmaninow beruhigt seine Nerven mit einem Glas Pfefferminzlikör. Macht er immer so – nicht umsonst heißt die besonders kniffelige letzte Variation auch die "Creme de Menthe Variation".

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Lugansky - Rachmaninoff, Rhapsody on a Theme of Paganini | Bildquelle: Enchanted Wanderer (via YouTube)

Lugansky - Rachmaninoff, Rhapsody on a Theme of Paganini

Hochgelobtes Konzert

Der Konzertabend ist ein riesiger Erfolg für Rachmaninow. Die Schweizer mögen diesen merkwürdigen Kauz mit dem wilden russischen Garten.  "Die Technik ist von stupender Leichtigkeit, dann der zauberhaft zarte Anschlag, die Transparenz seines Vortrags", heißt es in der Kritik. Es ist das erste und letzte Konzert, das Rachmaninow in Luzern gibt.

Der Krieg zieht einen Schlussstrich

Am 23. August 1939, also 12 Tage nach dem Abend, verlassen die Rachmaninows mit einem der letzten Ozeandampfer Europa. Am 1. September beginnt der Krieg mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen. Rachmaninow kehrt nie mehr zurück in sein "Millionärshaus", in sein Stückchen Schweizer Heimat.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 11. August 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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