Leipzig, 13. Oktober 1887: Energisch zuckt Richard Strauss mit dem Kopf und gibt den Einsatz. Er ist selbstbewusst, dieser junge Dirigent von der Münchner Hofoper. Und auch als Komponist erfolgreich. Stolz präsentiert er im Gewandhaus seine Symphonie. Aber er ist auch nach Leipzig gekommen, weil er neugierig ist auf Gustav Mahler. Der ist ebenfalls erst Mitte zwanzig, Dirigent an der Leipziger Oper, und soll ein sehr interessanter Musiker sein. Ein Freund hat das Treffen für beide arrangiert.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Der Beitrag zum Anhören
Die Gegensätze könnten größer kaum sein. Strauss: hochgewachsen, frühreif, ein Emporkömmling aus reichem Elternhause. Mahler: von kleiner Statur, permanent nervös, aus ärmlichen Verhältnissen. Und doch wird die erste Begegnung zum Schlüsselereignis.
Mahler und Strauss lieben beide die Oper, schwärmen für Richard Wagner und dirigieren leidenschaftlich gern. Mahler nutzt die Gelegenheit, um Strauss aus seiner Opernbearbeitung von den "Drei Pintos" vorzuspielen. Strauss ist begeistert und schwärmt in einem Brief an Hans von Bülow: "Eine neue, sehr reizende Bekanntschaft machte ich in Herr Mahler, der mir als höchst intelligenter Musiker und Dirigent erschien; einer der wenigen modernen Dirigenten, der von Tempomodifikationen weiß und überhaupt prächtige Ansichten aufwies. Mahlers Bearbeitung von Webers '3 Pintos' scheint mir ein Meisterstück."
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
"Die Drei Pintos" Weber-Mahler
Mahler und Strauss sprachen gerne miteinander, vielleicht, weil sie nie derselben Meinung waren.
Der junge Gustav Mahler. Fotografie um 1885. | Bildquelle: picture-alliance / Imago
Es entwickelt sich eine Freundschaft, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist. Mahler und Strauss schätzen sich als Komponisten und führen gegenseitig ihre Werke auf. Das bedeutet aber nicht, dass sie alle Ansichten teilen. "Mahler und Strauss sprachen gerne miteinander, vielleicht, weil sie nie derselben Meinung waren", erinnert sich Alma Mahler später.
Auch Mahler selbst ist sich ihrer Unterschiede bewusst: "Schopenhauer gebraucht irgendwo das Bild zweier Bergleute, die von entgegengesetzten Seiten in einen Schacht hineingraben und sich dann auf ihrem unterirdischen Weg begegnen. So kommt mir mein Verhältnis zu Strauss treffend gezeichnet vor." Und doch hielt ihre Freundschaft fast ein Vierteljahrhundert lang – bis zu Mahlers Tod.
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 13. Oktober 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK