BR-KLASSIK

Higher Walton, Lancashire, 22. April 1912. Die Altistin Kathleen Ferrier wird geboren. Ihre Karriere war ebenso glanzvoll wie kurz, und ihre unverwechselbare Stimme stellte sie stets in den Dienst der Textaussage.

Bisweilen wird längst verstorbenen Gesangslegenden unverhofft eine Ehre zuteil, die niemand für möglich gehalten hätte – zumindest nicht an dieser Stelle, in diesem Moment. Als sich im Münchner Nationaltheater die Festspielgäste zum Auftakt der "Salome"-Premiere am 27. Juni 2019 auf Richard Strauss einstellten, gab es zunächst einmal Gustav Mahler zu hören. Eine verwegene Idee des Regieteams, das einen betont jüdischen Blick auf "Salome" werfen wollte: Während des hinzuerfundenen szenischen Prologs ertönte aus dem Off eine siebzig Jahre alte Aufnahme der "Kindertotenlieder" unter der Leitung von Bruno Walter. Und die mitunter pseudoreligiös verklärte Stimme von Kathleen Ferrier entfaltete ihre Aura.

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Kathleen Ferrier & Bruno Walter; "Kindertotenlieder"; Gustav Mahler

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Geheimnisvoll gefärbte Altstimme

"Mein größtes Glück war es, mit Dr. Bruno Walter zusammenzuarbeiten", schwärmte Kathleen Ferrier einmal. Die Euphorie beruhte auf Gegenseitigkeit: Bruno Walter war der Dirigent, der nicht genug bekommen konnte von Kathleen Ferrier und ihrer intensiven Gestaltungskunst, von ihrem teilweise warmen, teilweise kühlen Stimmtimbre. Sie variierte den Klang, je nachdem, was sie durch die jeweilige Textaussage gerade für geboten hielt. Die Eigenart ihres geheimnisvoll gefärbten Alts bewegte Generationen von Gesangsfans – dazu musste sie keineswegs immer als Orpheus in der berühmten Gluck-Oper agieren. Für Kathleen Ferrier, einen privat stets unkomplizierten, aber krebskranken Menschen, war alles schnell vorüber: Nach kurzer Weltkarriere erlosch dieses Leben mit 41 Jahren.