Dresden, 24. Juni 1935. Die komische Oper "Die schweigsame Frau" von Richard Strauss wird ganz und gar nicht schweigsam uraufgeführt. Das frischgebackene Team aus Komponist Richard Strauss und Librettist Stefan Zweig hat ein amüsantes, komödiantisches Debüt abgeliefert – und das Publikum honoriert den Einstand der Künstler mit gewaltigem Applaus.
Bildquelle: Richard Strauss Institut/Bearbeitung: BR
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Nahezu gewalttätig das Nachspiel der Uraufführung, denn nach der dritten Vorstellung der "Schweigsamen Frau" erfolgt das Verbot für, wie es heißt, "alle reichsdeutschen Bühnen": "Die Oper hat einen großen Fehler", mokiert sich der Nazi Heinrich Himmler. "Ein unangenehm talentierter Jude hat sie verfasst".
Dieser Jude – Stefan Zweig – hat zwar schon längst deutschen Boden verlassen, aber sein Name prangt für die Machthaber unerfreulich groß auf den Opernplakaten. Dafür hat sich Richard Strauss, der Noch-Präsident der Reichsmusikkammer, in die Brust geworfen und einen hartnäckigen Briefwechsel mit den mächtigen Köpfen der Nazis geführt. Stefan Zweig notiert: "Schließlich wurde Strauss vor den Allgewaltigen zitiert, und Hitler teilte ihm in persona mit, dass er die Aufführung ausnahmsweise gestatte."
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Strauss: Die schweigsame Frau - KURT RYDL (Sir Morosus)
Wie konnte es trotz dieser expliziten Genehmigung letztlich doch zum Verbot kommen? Nahezu arglos, als stünde er mitten in einem Opernlibretto und nicht in einer Diktatur, schreibt Strauss nach der Uraufführung einen freudigen Brief an Zweig, in dem er das "Vergehen" begeht, ihn um ein weiteres Libretto zu bitten. Zudem zweifelt Strauss offen an der Beständigkeit des Nazi-Regimes und stellt es in Frage.
Die braunen Spitzel angeln das Schreiben aus dem Hotelbriefkasten, und damit wird die "Schweigsame Frau" buchstäblich zum Schweigen gebracht. Den Posten als Präsident der Reichsmusikkammer muss Strauss in Windeseile abgeben – aus "gesundheitlichen Gründen".
Stefan Zweig – der Librettist der "Schweigsamen Frau" | Bildquelle: picture-alliance / akg Zwar unternahmen einige deutsche Bühnen nach 1945 den Versuch, die "Schweigsame Frau" vom Bann des Schweigens zu befreien, doch richtig durchsetzen konnte sich die Beinahe-Operette von Richard Strauss bis heute nicht. Aber vielleicht bewahrheiten sich ja noch die Worte, die Strauss während der Probenarbeit 1935 an Stefan Zweig schrieb: "Sie können ganz beruhigt sein. Die Oper ist ein Volltreffer – wenn auch vielleicht erst im 21. Jahrhundert."
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