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Was heute geschah – 27. Juli 1856 Clara Schumann besucht Robert in Endenich

Endenich 27. Juli 1856. Es ist kurz nach sechs Uhr morgens. Clara Schumann macht sich auf den Weg in die private Heil-und Pflegeanstalt von Endenich. Hier wird keiner mit mechanischen Zwangsmitteln ruhiggestellt, wie das sonst in den so genannten "Irrenanstalten" üblich ist. Trotzdem ist es Clara über zwei Jahre lang verboten worden, ihren Mann zu sehen. Sie schickt ihm wenigstens regelmäßig Blumensträuße, Briefe und Noten.

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Die Sendung zum Anhören

"Besuche von nahestehenden Personen, wie Ehefrau und Kindern, haben zu unterbleiben, um jegliche Aufregung vom Patienten fernzuhalten. Andernfalls ist die Heilung gefährdet", meint der Leiter Dr. Franz Richarz, dem das Wohlbefinden seiner Patienten am wichtigsten ist.

Schlimme Vorahnung

Nun also der große Tag: Clara darf, nein, sie soll sogar ihren Mann Robert treffen. Dass das kein gutes Zeichen ist, weiß sie. Ihr Freund Johannes Brahms hat ja Robert regelmäßig besucht und Clara auf dem Laufenden gehalten. Dabei hätte Clara ihm doch so viel zu erzählen: Die Familie hat eine neue Wohnung, sie hat ihr achtes Kind zu Welt gebracht, einen Sohn mit dem Namen Felix, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Clara hat Konzertreisen unternommen. Ja, sicher hat sie ihm das alles schon geschrieben, aber ob er es auch gelesen und verstanden hat?  Robert kann keinen Stift mehr halten und hat ihr schon lange nicht mehr auf einen Brief geantwortet.

Eines von Schumanns letzten Werken: die "Geistervariationen"

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Variations in E-Flat Major on an Original Theme "Ghost Variations", WoO 24 | Bildquelle: Igor Levit - Topic (via YouTube)

Variations in E-Flat Major on an Original Theme "Ghost Variations", WoO 24

Unterhaltung mit Gespenstern?

"Ernährung immer tiefer sinkend, Ödem der Füße. Abwechselnd Zuckungen in den verschiedensten Muskeln des Gesichts und der Gliedmaßen mitunter Husten mit Schleimrasseln", notiert der Arzt in seinem Krankenbericht. Jetzt liegt Robert vor ihr im Bett und spricht ein Wirrwarr, als würde er sich mit Gespenstern unterhalten. Mit flackernden Augen betrachtet er Clara, sie setzt sich neben ihn. Und Clara meint, er habe eben ihren Namen gesagt. Ihr scheint es, als höre sie in dem Gebrabbel etwas wie "Ich kenne dich".

Einsamer Tod

Behutsam füttert sie ihren abgemagerten Mann mit Wein und Gelee. "Ich sah ihn. Er lächelte mich an und schlang mit großer Anstrengung, denn er konnte seine Glieder nicht mehr regieren, seinen Arm um mich – nie werde ich das vergessen." So steht es in Clara Schumanns Tagebuch. Zwei Tage später stirbt Robert Schumann. Keiner ist in dem Augenblick bei ihm. Von diesem Tag an trägt Clara dunkle Kleider und ein ins Haar geflochtenes Band, das sie als Witwe ausweist.

WAS HEUTE GESCHAH

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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