Moskau 30. Dezember1876. Der Komponist Peter Tschaikowsky bekommt einen Brief von Nadeschda von Meck. Die reiche Witwe eines Eisenbahnunternehmers hat dem Komponisten ein paar Klavierwerke in Auftrag gegeben und bedankt sich nun per Brief: "Es ist überflüssig, Ihnen zu sagen, wie begeistert ich von ihrer Komposition bin, da Sie wohl anderes Lob gewöhnt sind. Deshalb sage ich nur, dass es sich mit ihrer Musik leichter und angenehmer leben lässt."
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Nadeshda von Meck wurde mit 17 Jahren verheiratet, bekam 18 Kinder, 11 haben überlebt. Als sie diesen Brief schreibt, leitet die 45-jährige Witwe sowohl ihre Familie als auch das geerbte Eisenbahnimperium mit ebenso eiserner Hand. Ihre einzige Leidenschaft - die Musik von Peter Tschaikowsky. So schreibt sie an den Komponisten: "Ich möchte Ihnen sagen, dass mein Verhältnis zu Ihrer Musik mir als das schönste, höchste aller Gefühle, deren ein Mensch fähig ist, unendlich teuer ist."
Tschaikowsky, 37 Jahre alt, chronisch pleite, ist gerade in einer schlimmen Krise. Das Unterrichten am Konservatorium belastet ihn, seine überstürzte Heirat, um seine damals strafbare homosexuelle Orientierung zu überwinden, endet mit einem schweren Zusammenbruch. Nach der Trennung braucht Tschaikowsky Geld, Nadeshda von Meck hilft. 6000 Rubel jährlich zahlt sie Tschaikowsky ab 1877. Er ist damit finanziell unabhängig und dankt durch Produktivität. Seine vierte Sinfonie ist Nadeschda von Meck gewidmet.
Von Anfang schwören sich die Mäzenin und der Komponist, jede persönliche Begegnung zu vermeiden. Dafür schreiben sie einander fast täglich, etwa 1200 Briefe: über Familie und Religion, über Krankheiten und Ernteaussichten, über Musik – und auch über Gefühle.
Wenn ich morgens aufstehe, sind Sie mein erster Gedanke, und den ganzen Tag über spüre ich unablässig Ihre Nähe …
Es ist Nadeschda von Meck, die diese Brieffreundschaft nach 13 Jahren ohne jegliche Erklärung abbricht. Einer der Gründe war wohl der Bankrott der Familie von Meck. Nadeschda konnte Tschaikowsky nicht mehr unterstützen. Mehrere Briefe Tschaikowskys lässt sie ab 1890 unbeantwortet. Peter Tschaikowsky stirbt unter ungeklärten Umständen im Dezember 1893, Nadeschda von Meck überlebt ihn nur um drei Monate. Ihr Grab in Moskau ist durch die Wirren der Revolution verschollen. Und so erinnert heute kein Gedenkstein an die Frau, ohne deren Unterstützung Peter Tschaikowsky vermutlich viele seiner Werke nie geschrieben hätte.
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Sendung: "Allegro" am 30. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK