Als sich der Dirigent Daniel Barenboim und die Cellistin Jacqueline du Pré zur Hochzeit entschlossen, stand fest: Es sollte eine jüdische Trauung in Jerusalem werden. Doch Jacqueline du Pré selbst war keine Jüdin. Die Vorbereitungen gerieten zum Hindernis-Lauf.
Bildquelle: imago/United Archives International
Das Kalenderblatt zum Anhören
Ganz Israel schaute auf das junge Hochzeitspaar an der Klagemauer in Jerusalem. Die charismatische 22-jährige Cellistin Jacqueline du Pré und der zwei Jahre ältere Dirigent und Pianist Daniel Barenboim gaben sich das Ja-Wort. Sie in weißem Kostüm, mit Haarkranz und Schleier, er in schwarzem Anzug und mit einer weißen Kippa auf dem Kopf. Erst im Vorjahr hatten sich Daniel und Jackie in London bei einer Party kennengelernt.
Ich erinnere mich, dass wir uns nicht mal Guten Abend gesagt haben, sondern erst mal Brahms zusammen spielten.
Barenboim gab der jungen Cellistin bald den Spitznamen "Smiley", denn er habe "vorher noch nie jemanden getroffen, der so viel lacht".
Schon wenige Monate später sollte die Hochzeit stattfinden – ganz nach jüdisch orthodoxem Ritus vor einem Rabbiner, so verlangte es Barenboims Familie. Trauzeuge wurde Barenboims enger Freund Zubin Mehta, der kurzerhand in "Moshe Cohen" umgetauft wurde, um als Jude durchzugehen. Doch auch Jacqueline du Pré war keine Jüdin. Für die Hochzeit trat sie in einem Crashkurs-Verfahren zum Judentum über.
Der Gedanke, von nun an Jüdin zu sein, fiel mir leicht. Vielleicht hatte es auch etwas damit zu tun, dass so viele Musiker Juden sind.
Bildquelle: EMI Studium, Prüfung und das Tauchbad in der Mikwa – was normalerweise Monate oder Jahre dauert, erledigte Jackie binnen 24 Stunden, unter den missbilligenden Blicken des Oberrabbinats. Doch der ehemalige israelische Premierminister David Ben-Gurion setzte sich für das prominente Musikerpaar ein und vereinbarte eine Sonderregelung. Immerhin hatten die beiden kurz zuvor im Sechstagekrieg Konzerte vor den Soldaten gegeben. Seitdem wurden sie von den Israelis als Helden gefeiert. Die Hochzeit konnte stattfinden.
Gemeinsam reisten die Frischvermählten um die Welt, wurden als Traumpaar der Klassik umjubelt und nicht selten mit Robert und Clara Schumann verglichen. Jackie schien mit ihrer ungebremsten Energie ihrem Ehemann immer einen Schritt voraus zu sein.
Zugegeben, es war manchmal schwierig, meine Frau zu begleiten. Sie verstand oft nicht so recht, dass wir Normalsterblichen Mühe hatten, ihr zu folgen.
Das sollte sich viel zu schnell ändern. Mit Jacqueline du Prés fortschreitender Multipler Sklerose geriet der gut aufeinander eingespielte Ehealltag ins Wanken. Nun war es Jackie, die mit Daniels Karriere nicht mehr Schritt halten konnte. Barenboim erinnerte sich dreißig Jahre später in einem Interview mit der Zeitung "The Telegraph": "Jackie und ich wussten, dass etwas Furchtbares passierte, aber wir konnten es nicht beim Namen nennen. Jeder Arzt sagte uns etwas anderes, jahrelang ging das so."
Am Ende ging das einstige Traumpaar getrennte Wege. Während Daniel als Chefdirigent des Orchestre de Paris Karriere machte, lebte Jackie als Pflegefall in London. Sie starb im Oktober 1987. Ein Jahr später heiratete Barenboim seine neue Liebe, die Pianistin Elena Bashkirova, mit der er bereits zwei Söhne hatte. Erst vor kurzem sprach der Dirigent über seine Zeit mit Jacqueline du Pré – zum ersten Mal seit ihrem Tod.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Perlman Zukerman Du Pré Mehta and Barenboim - Schubert, Piano Quintet in A Major The Trout
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 15. Juni 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK