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Was heute geschah - 11. August 1975 KPdSU-Nachruf auf Schostakowitsch

Zuckerbrot und Peitsche: Erst war Schostakowitsch den Schikanen des Stalin-Regimes ausgesetzt, dann wiederum wurde er mit Orden überhäuft. Auf seinen Todestag am 9. August 1975 reagiert die sowjetische Partei- und Staatsführung mit einer fadenscheinigen Würdigung.

Bildquelle: imagao/ITAR_TASS

"Ein treuer Sohn der kommunistischen Partei"

In der Prawda erscheint ein offizieller Nachruf auf den zwei Tage zuvor verstorbenen Dmitrij Schostakowitsch. 85 Unterschriften stehen darunter wie etwa die von Generalsekretär Leonid Breschnjew, von KGB-Chef Jurij Andropow und von Politbüro-Mitglied Andrej Gromyko, aber auch die von Emil Gilels, Aram Chatschaturjan und Dmitrij Kabalewskij sowie von den Dirigenten Kirill Kondraschin, Jewgenij Swetlanow und Gennadij Roshdestwenskij. Noch heute reibt man sich die Augen ob der zwei Seiten Text.

Auszüge aus dem Nachruf des Zentralkomitees der KPdSU zum Tod von Dimitrij Schostakowitsch

"Als treuer Sohn der Kommunistischen Partei, als namhafter Staatsfunktionär widmete der Künstler Dmitrij Schostakowitsch sein ganzes Leben der Entwicklung der sowjetischen Musik, der Festigung der Ideale des sozialistischen Humanismus."

"Er gewann seine Inspiration aus der sowjetischen Wirklichkeit. Durch sein innovatives Schaffen hat er die Kunst des sozialistischen Realismus gestärkt."

"Er schrieb Werke von höchstem philosophischen Gehalt und weiser Lebensbejahung: die 15. Sinfonie und das 15. Streichquartett."

Auswahl der Unterzeichner des Nachrufs

"Chaos statt Musik"

Sechs Sätze in es-Moll, alle getragen, düster und hochgradig melancholisch - soll das letzte Quartett wirklich ein Klangdokument der Lebensbejahung sein? Zu Lebzeiten von Dimitrij Schostakowitsch klang das alles anders: "Chaos statt Musik" attackiert Josef Stalin persönlich seine Oper "Lady Macbeth von Mzensk". Von einer "formalistischen, volksfremden Richtung" seiner Musik ist of die Rede, von "Verzerrungen und antidemokratischen Tendenzen" und von "konfusen, neuropathischen Kombinationen, von Kakophonie und einer chaotischen Anhäufung von Tönen."

In den 69 Jahren seines Lebens war Dmitrij Schostakowitsch mehr als einmal den Schikanen und Attacken des Sowjet-Regimes ausgesetzt. Einige davon setzten ihm physisch und psychisch so zu, dass er gesundheitliche Schäden davon trug. Dazwischen wurde er überhäuft, mit Lenin-Preisen, Staatsorden und gepriesen als "Held der sozialistischen Arbeit". Das Prinzip: Zuckerbrot und Peitsche.

Genius Schostakowitsch

"Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd", hat Otto von Bismarck gesagt. In Diktaturen muss man wohl die offizielle Presse hinzufügen. Wobei der Schluss-Satz des Prawda-Nachrufs noch heute stimmt: "Der Genius Schostakowitschs und seine großartigen Schöpfungen werden ewig leben."

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 8.30 Uhr und um 16.40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

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