Er war eine der Schlüsselfiguren der frühen italienischen Moderne: der Komponist Alfredo Casella. BR-KLASSIK präsentiert ab 19:05 Uhr die Aufführung der Oper "La donna serpente" aus dem Teatro Regio Turin.
Bildquelle: Ramella & Giannese_Eduardo Piva | Teatro Regio Turina
Pausenzeichen
Alfredo Casella: "La donna serpente"
“Casella hat die italienische Musik entprovinzialisiert“ – Igor Strawinsky soll das gesagt haben, und falsch ist diese Aussage sicherlich nicht. Provinziell war das italienische Musikleben als Casella 1883 auf die Welt kam, weil es kaum etwas anderes gab als das hausgemachte "Melodramma". Musik bedeutete Oper, Komponist sein hieß Arien schreiben und sich als Sohn von Verdi, Rossini, Bellini und Donizetti begreifen. Dass aber nicht nur die Oper in Italien geboren wurde, sondern auch instrumentale Gattungen wie Konzert und Sinfonie hier geprägt worden waren, das hatte man angesichts der rauschenden Erfolge von Puccini, Mascagni, Cilea und Leoncavallo schlichtweg vergessen.
Kein fruchtbarer Boden für Alfredo Casella, ein pianistisches Wunderkind, das im Grundschulalter bereits beide Bände des Wohltemperierten Klaviers auswendig spielte. 13-jährig verließ Casella seine Belcanto-selige Heimat und begann am Pariser Konservatorium Klavier und Komposition zu studieren. Zwei Jahrzehnte blieb er in der französischen Metropole und pflegte internationale Freundschaften mit Ravel, Mahler, Strawinsky und Enescu – eine prägende Erfahrung. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs kehrte er nach Italien zurück. Dort verfolgte er zunächst das anspruchsvolle Ziel, die Wiedergeburt der Instrumentalmusik einzuleiten. Casella gelangte dabei unter Orientierung an der internationalen Moderne und an Vorbildern aus der italienischen Tradition wie Monteverdi, Scarlatti, Clementi und Vivaldi zu einer Art Neoklassizismus, oder besser: zu einer neuen Klassizität.
Um das Musiktheater machte Casella dabei lange einen Bogen und erst Ende 1928, mit 45 Jahren, fühlte er sich reif für eine eigene Oper, die stilistisch neue Wege weisen sollte. Um die grelle Ästhetik des Verismus und die blassen Nebel der Wagner-Epigonen gleichermaßen zu umgehen, wählte Casella einen Stoff aus dem 18. Jahrhundert: "La Donna Serpente" von Carlo Gozzi, einem Autoren, der mit seinen antirealistischen Theatermärchen eine ganze Reihe moderner Komponisten inspirierte.
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Typisch für Gozzi ist die Verflechtung von tragischen und komischen, phantastischen und burlesken Elementen in ein und derselben Handlung. So auch in "La donna serpente": Die Diener des noblen Prinzen Altidor, Herrscher über das fabelhafte Teflis und Gemahl der Feenkönigin Miranda, sind keine anderen als die klassischen Rollen der Commedia dell’arte: Pantalone, Brighella, Truffaldino und Tartaglia sind auch unter den pseudo-kaukasischen Namensvarianten Pantul, Albrigòr, Altitrúf und Tartagil leicht an ihrem Rossini'schen Buffoton und ihrer allen Idealen abholden Bodenständigkeit zu erkennen: Zu Beginn des zweiten Aktes trällern sie etwa den Refrain – "Das Vaterland ist, wo es genug zu essen gibt" – ein Satz, den sich im faschistischen Italien wohl nur die Narren erlauben durften.
Freitag, 27. Mai 2016, 19:05 Uhr
Das Musik-Feature
Europäische Italianità - der Komponist Alfredo Casella
von Alexandra Maria Dielitz
Samstag, 28. Mai 2016, 19:05 Uhr
Opernabend
Alfredo Casella: "La donna serpente"
Bei der römischen Uraufführung von "La donna serpente" am 17. März 1932 stand Alfredo Casella selbst am Pult. Die Oper gefiel zwar und fand besonders in der Presse ein positives Echo, konnte sich jedoch – wie die meisten Opern nach Puccinis Turandot – nicht im Repertoire etablieren. Fabio Luisi leitete 2014 unter beim Festival della Valle d’Itria in Martina Franca die wohl erste Produktion des Werks im 21. Jahrhundert – und zwar bereits als Koproduktion mit dem Teatro Regio, das die Inszenierung im April 2016 als zentrales Werk des "Festival Alfredo Casella" übernahm. Sollte Casellas Schlangenfrau aufgrund der enormen Schwierigkeit in Inszenierung und Besetzung auch diesmal nicht den Weg ins Repertoire finden, so gibt es Trost: Der Mitschnitt der Turiner Premiere soll als DVD erscheinen, als szenisch und musikalisch üppig schillerndes Märchen.