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Album der Woche – Barbican Quartet Manifesto on Love

2022 gewann das Barbican Quartet neben gleich mehreren Sonderpreisen den ersten Preis der Jury beim ARD-Musikwettbewerb. Erst im selben Jahr war die Geigerin Kate Maloney als festes Mitglied zum Ensemble gestoßen, das ursprünglich 2014 gegründet wurde. Zu einem homogenen, mittlerweile gefeierten Ensemble sind die vier trotzdem zusammengewachsen. Jetzt hat das Barbican Quartet sein Debütalbum vorgelegt. Damit hat es auch einen Sonderpreis eingelöst, den 2022 das Label "Genuin" vergeben hatte.

CD-Cover Manifesto on Live, Barbican Quartet | Bildquelle: Genuin

Bildquelle: Genuin

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Musik eines ewig jung Gebliebenen, Klänge und Harmonien von explosiver, manchmal obsessiver Emotionalität. Dieses Streichquartett wäre eher einem 23-Jährigen zuzutrauen als einem 73 Jahre alten, gereiften Altmeister am Ende seines Lebens. Leoš Janáček, einer der größten tschechischen und einer der ganz großen Komponisten überhaupt, war in mancher Hinsicht kein reifer alter Mann, emotional ganz sicher nicht. Doch gerade das führte zu einem musikalischen Schaffen, in dem radikale Modernität, ungeschützte Subjektivität und der heimatliche, nationale Tonfall eine einzigartige Mischung eingehen. Janáček war nicht nur ein Revolutionär, er ist bis heute einer geblieben.

Heftige bis verstörende Leidenschaft

"Intime Briefe" hat Janáček sein zweites Streichquartett genannt, das er nicht lange vor seinem Tod vollendete. Intim? Na ja. Die heftige, ja verstörende Leidenschaft, die Janáček damals seit zwei Jahrzehnten für die 38 Jahre jüngere Kamilla Stösslova empfand, ist kaum überhörbar. Im Grunde zieht dieses Meisterwerk eine Art Schlussstrich unter die rund 700 Briefe, die der Komponist seiner Muse schrieb, auch zu seinem zweiten Streichquartett. "Diese meine Noten küssen dich ganz und gar", schreibt er Kamilla. Das ist nicht übertrieben.

Linktipp

Das ausgezeichnete Barbican Quartet beim ARD-Musikwettbewerb 2022.

Musikalische Liebesbriefe

Das Barbican Quartet spielt diese Musik mit nervöser, fiebriger Intensität, doch immer kontrolliert, gelegentlich mit fahler, rauer Tongebung und doch klanglich ausgewogen und bestens aufeinander abgestimmt. Der erste Preis beim ARD-Musikwettbewerb, das belegt dieses Debütalbum, geht in Ordnung. Denn auch Robert Schumanns drittes Streichquartett musizieren die vier glänzend. Die Cellistin Yoanna Prodanova deutet es in ihrem Begleittext als einen "Liebesbrief" Roberts an Clara, was die Interpretationslinie des Ensembles beschreibt. Den langsamen dritten Satz machen die Barbicans zum musikalischen Inbegriff romantischen Sehnens, das sie immer wieder auch ins Dunkle und an Abgründe führt. Nach reinem Liebesglück klingt es allenfalls wieder im munteren Finale.

Tabakova und Schumann als wunderbare Dreingaben

Zwischen diese beiden Schwergewichte der Quartettliteratur schiebt das Barbican Quartet die Auftragskomposition des ARD-Musikwettbewerbs 2022, ein atmosphärisch dichtes Stück der britisch-bulgarischen Komponistin Dobrinka Tabakova. Für dessen Interpretation räumten die vier seinerzeit den Sonderpreis ab. Zu Recht, wie sie jetzt bestätigen. Und dem Schumann-Quartett lassen sie eine wunderbar intime Bearbeitung seines Liedes "Wenn ich ein Vöglein wär" folgen. Das ist wirklich ein inniger Liebesbrief, oder besser, ein zweiminütiges Liebesbriefchen, wunderbar anrührend geschrieben bzw. gespielt.

Infos zur CD

Manifesto on Love

Leoš Janáček:

Streichquartett Nr. 2 – "Intime Briefe"
Dobrinka Tabakova:
The Ear of Grain
Robert Schumann:
Streichquartett Nr. 3, op. 41 A-Dur

Barbican Quartet

Label: Genuin

Sendung: "Piazza" am 15. Juni 2024 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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