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Album der Woche – Reynaldo Hahn Lieder und Kammermusik

Für seinen "samtig leuchtenden Tenor" und sein "Pop-Star Charisma" pries ihn das "BBC Music Magazine2. Der libanesisch-amerikanische Sänger Karim Sulayman erkundet gern die vergessenen Seitenpfade des Standard-Repertoires. Genau wie das britische Kaleidoscope Chamber Collective, dessen 40 Mitglieder aus aller Welt in wechselnden Besetzungen miteinander musizieren. Das jüngste Projekt mit Karim Sulayman ist dem französischen Komponisten Reynaldo Hahn gewidmet, dessen einstiger Ruhm heute allzu sehr verblasst ist.

Bildquelle: Chandos

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Er war der Liebling der Pariser Salons des fin de siècle: An diesen Orten der Eleganz, Intelligenz und Extravaganz herrschte das perfekte Klima zur Entfaltung einer Künstlernatur wie der Reynaldo Hahns, die Eigenschaften des Denkers und des Dandys in sich vereinte. Seine Liebe zur Literatur führte nicht nur zu einer leidenschaftlichen Affäre und später lebenslangen Freundschaft mit Marcel Proust, sondern auch zur Gattung Lied. Besser gesagt zur "mélodie", jenem typisch französischen, elegant schwerelosen Kunstlied der Belle Epoque, dem sich auch Gounod, Fauré oder Hahns verehrter Lehrer Massenet widmeten. Hier erweist sich der Komponist als Meister exquisiter Stimmungen und feinster Farbnuancen – genau wie Tenor Karim Sulayman als subtiler Interpret.

Rimbaud, Baudelaire, Mallarmé und Verlaine

Neben Gedichten des 17. Jahrhunderts im stilisierten Rokoko-Klang vertonte Reynaldo Hahn anspruchsvollste zeitgenössische Lyrik von Rimbaud, Baudelaire, Mallarmé und Verlaine. Von ihm stammt die berühmte Chanson d’automne, die mit "langen Schluchzern der Geigen des Herbstes" das Herz in monotone Beklommenheit versetzt. Da bei Verlaine explizit von Geigen die Rede ist, wirkt die Instrumentierung der ursprünglichen Klavierlieder hier besonders schlüssig. Die fein ausbalancierten Arrangements des Pianisten, Komponisten und Mitbegründers des Kaleidoscope Chamber Collective Tom Poster zieren aber alle Lieder des Albums. Man könnte meinen, sie stammten vom Komponisten selbst – besonders wenn man sie in Verbindung mit den kammermusikalischen Stücken des Albums hört: Das wenige Monate vor Hahns Tod 1947 entstandene, klassisch abgeklärte G-Dur Klavierquartett und das 25 Jahre ältere hinreißend leidenschaftliche und kontrastreiche fis-Moll-Klavierquintett. Seicht säuselnde Salonmusik ist das jedenfalls nicht.

 Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Klangschön und temperamentvoll musiziert das Kaleidoscope Chamber Collective und erweist sich als großartiger Anwalt für den vielfach unterschätzten Komponisten Reynaldo Hahn. Dandy hin oder her – seine Musik ist völlig allürenfrei und unmittelbar emotional, vielleicht immer ein wenig "auf der Suche nach der verlorenen Zeit".  Seine Leichtigkeit ist nicht zu verwechseln mit Oberflächlichkeit. Schwere und Langeweile wollte er vermeiden, denn er war überzeugt: Die Musen tragen keine Brille.

Infos zur CD

Reynaldo Hahn
Klavierquintett fis-Moll
Klavierquartett G-Dur
A Chloris; Quand je fus pris au pavillon
Le Rossignol des lilas
Chanson d'automne
L'Enamouree; La Barcheta

Karim Sulayman, Tenor
Kaleidoscope Chamber Collective

Label: Chandos

Sendung: "Piazza" am 22. Februar 2025 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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