China, Österreich, Norwegen, die Besetzung des jungen, inzwischen in Wien ansässigen Simply Quartet ist – nach ursprünglich rein chinesischem Start in Shanghai – ziemlich international. Zusammenhalt und künstlerische Qualität scheint das eher zu fördern. Das Debüt-Album mit Mendelssohn und Dvořák ist jedenfalls hochkarätig und mehr als vielversprechend.
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Simply Quartet mit Mendelssohn und Dvořák
Mit einem Schrei soll Felix Mendelssohn-Bartholdy zusammengebrochen sein, als ihn am 17. Mai 1847 die Nachricht vom völlig unerwarteten Tod seiner Schwester Fanny erreichte. Nur 42 Jahre war die über alles geliebte Schwester alt geworden. Den sonst so ausgeglichenen Mendelssohn warf das emotional völlig aus der Bahn. Wie sehr, das ist seinem letzten Streichquartett anzuhören. Mendelssohn vollendete es im Spätsommer, wenige Wochen vor seinem eigenen, ebenso überraschenden Tod Anfang November 1847.
Was als eine Art instrumentales Requiem für Fanny gedacht war, wurde so zugleich sein eigenes. Das f-Moll-Quartett ist ein Ausnahmewerk. So radikal und kompromisslos hat Mendelssohn wohl kein zweites Mal komponiert. Ein Blick in den Abgrund. Dieses Streichquartett ist musikalischer Ausdruck tiefster Verzweiflung. Fahle Klangflächen wechseln mit wild erregten Ausbrüchen. Etwas ähnliches war von diesem Musiker, der stets als der Sonnenschein der Zunft galt, nie zuvor zu hören.
Puristen waren denn auch der Meinung, Mendelssohns f-Moll-Quartett sei eigentlich gar keine Kammermusik. Um es adäquat zum Klingen zu bringen, brauche man ein Orchester. Das ist Unsinn, und das Simply Quartet beweist es wieder mit seinem furiosen Ritt durch diese extreme Partitur. Was diese vier jungen Menschen, eine Dame und drei Herren, da abliefern, ist atemberaubend, technisch perfekt, packend in seiner Emotionalität und Ausdruckstiefe – simply brillant. Was auch für das zweite Werk dieses Albums gilt, Antonin Dvořáks wunderschönes, leider viel zu selten gespieltes Streichquartett op.106.
Auch dieses G-Dur-Quartett ist eine Art letztes Werk, nämlich Dvořáks Abschied vom Streichquartett. Gemeinsam mit dem parallel entstandenen As-Dur-Quartett ist es das Großartigste, was er für die Gattung geschrieben hat. Alles, was ihn als Komponisten ausmachte, ist hier wie in einem Brennspiegel gebündelt: unfassbar schöne Einfälle und Melodien gepaart mit künstlerischer Reife und Vollendung. Die Simplys bewegen sich auch hier absolut auf der Höhe des Geschehens, klanglich, in der Gestaltung großer Bögen, in all der expressiven Intensität und Spannung, die dieses Quartett fordert. Das großartige Debütalbum eines jungen Ensembles, von dem noch viel zu hören sein wird.
Felix Mendelssohn-Bartholdy:
Streichquartett f-Moll op.80
Antonin Dvořák:
Streichquartett G-Dur op.106
Simply Quartet
Label: Genuin
Sendung: "Piazza" am 15. März 2025 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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