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Album der Woche – Yunjie Chen spielt Skrjabin Sämtliche Klaviersonaten

Lang Lang und Yuja Wang sind die derzeit populärsten chinesischen Pianisten, aber keineswegs die einzigen von überregionalem Renommee. In China haben sie einen Klavier-Hype ausgelöst, den der etwas ältere Kollege Yunjie Chen nicht nötig hatte. Nach dem Studium in China und den USA, nach Wettbewerbssiegen in aller Welt ist er seit längerem Professor in Peking. Für Alexander Skrjabin setzte er sich 2015 mit einem spektakulären Konzert in der Verbotenen Stadt ein. Auf dem Programm: alle zehn Klaviersonaten des Komponisten. Die hat jetzt das Label Accentus mit Yunjie Chen veröffentlicht.

Bildquelle: Accentus

Der CD-Tipp zum Anhören

Ein Exzentriker? Ziemlich sicher. Ein Theosoph? Möglich. Ob Alexander Skrjabin die Theosophie wirklich ernst nahm, ist umstritten. Benutzt hat er sie, aber vielleicht nur zur Selbstvermarktung. Ein Mystiker aber war Skrjabin bestimmt. Oder, wie die Forschung meint, ein Künstler in der Tradition des russischen Kosmismus. Der wollte Ende des neunzehnten Jahrhunderts die Menschheit in einer kosmischen Evolution vereinen, dabei Spiritualität und Technik verschmelzen. Klingt leicht überdreht? Durchaus. Skrjabins mystisch-philosophische Weltanschauung ist nichts für trockene Realisten. Der Mann hatte eine Mission, war überzeugt davon, die Menschheit müsse regeneriert werden. Natürlich durch seine Musik.

Atemberaubende Musik

Die ist tatsächlich großartig. Und es muss nicht der große Orchesterklang sein, den Skrjabin in monumentalen Symphonien und Symphonischen Dichtungen realisierte. Auch wenn er in seinen letzten Lebensjahren von einem musikalischen "Mysterium" mit zweitausend Mitwirkenden unter einer Riesenkuppel träumte und damit die Menschheit in kollektive Ekstase versetzen wollte: Was Skrjabin, selbst ein ausgezeichneter Pianist, der überschaubaren Tastatur eines Flügels entlockte, reicht völlig. Die zehn Klaviersonaten, entstanden zwischen 1892 und 1913, seine Préludes, Études und Poèmes sind atemberaubende Musik. Mit ihr haben sich zurecht einige der großen Pianisten des letzten Jahrhunderts und der Gegenwart intensiv beschäftigt. Der Chinese Yunjie Chen fügt dem jetzt eine Gesamtaufnahme der zehn Sonaten hinzu, auf beeindruckendem Niveau.

Große Klarheit in den Strukturen 

Yunjie Chen ist Skrjabin-Jünger aus voller Überzeugung und vollem Herzen. Das ist dem im Booklet abgedruckten Gespräch mit ihm zu entnehmen, vor allem aber seinem exzellenten Klavierspiel. Bei aller Versenkung, allen Freiheiten, aller Betonung nicht nur der romantischen, sondern eben auch mystischen Momente vor allem der späten Sonaten bleibt immer eine große Klarheit in den Strukturen. Nichts verliert sich im Raunen, im Nebulösen. Und klanglich ist die Aufnahme brillant. Wer sich Alexander Skrjabin, diesem vielleicht geheimnisvollsten aller Romantiker nähern möchte, ist hier bestens aufgehoben.

Infos zur CD

Alexander Skrjabin:
Die Klaviersonaten Nr. 1 bis 10

Yunjie Chen (Klavier)

Label: Accentus


Sendung: "Piazza" am 11. Januar 2025 ab 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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