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BR-Symphonieorchester in Taiwan Klassik-Boom bei der Jugend - Senioren gesucht!

Selfies, Fangeschenke und die Jagd nach Autogrammen gehören in Asien zu jedem Orchesterkonzert dazu. Gerade in Taiwan zieht die Klassik ein überwiegend junges Publikum an. Auf der Asien-Tournee des BR-Symphonieorchesters ging BR-KLASSIK Reporterin Annekatrin Schnur diesem Boom nach.

Bildquelle: Silke von Walkhoff

Reportage: Das BRSO in Taiwan

"Klassik geht direkt ins Herz"

Mehr junges Publikum im Konzertsaal - in Europa ist der Wunsch allgegenwärtig, die Diskussion fast schon anstrengend, Education wird bei den Orchestern und Konzerthäusern immer noch größer geschrieben. In Taiwan ist Realität, was sich hierzulande alle wüschen - und die Zahlen sind aus europäischer Sicht eine Sensation: 65 Prozent der Konzertbesucher in Taiwan sind unter 30. Und dafür müssen die Konzertveranstalter und Orchester nicht mal viel tun.

Klassik - Musik für junge Leute

Die Erklärung ist ganz einfach, sagt Joyce Chiou, Direktorin des Taiwan Philharmonic Orchestra: In Europa sei klassische Musik eine alte Tradition, die gelebt werde. In Taiwan sei sie dagegen etwas Neues, etwas Modernes und deshalb total angesagt bei der Jugend. Wer in Taiwan in Konzerte gehe, zeige außerdem, dass er privilegiert und gebildet sei. Und Chiou geht noch einen Schritt weiter: Mit klassischer Musik werde man ein anderer Mensch, ein besserer - so die Hoffnung vieler junger Taiwanesen.

Dafür bleibt das ältere Publikum aus. Joyce Chiou hat es zu ihrer Mission gemacht wieder mehr Senioren in den Konzertsaal zu bringen - mit ziemlich offensiven Mitteln. In Taiwan bekommt man ab 65 Jahren die Karte für die Hälfte des Preises, Studenten erhalten dagegen nur 20 Prozent Ermäßigung.

Der Besuch des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in Taiwan in Bildern.

Von Taiwan zum Studium nach Deutschland

Seit gut 60 Jahren wird klassische Musik in Taiwan gespielt und gepflegt. Christliche Missionare haben sie auf die Insel gebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind auch die ersten jungen Musiker zum Studieren ins Ausland gegangen. Die meisten von ihnen entscheiden sich für Amerika, aber es gehen auch einige nach Frankreich oder Deutschland. Auch Yi-Rung Lai hat ihr Heimatland Taiwan für die Musik verlassen. Die 26-jährige Kontrabassistin hat einen Platz in der Orchesterakademie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks gefunden und studiert an der Münchner Musikhochschule bei Nabil Shehata.

Yi-Rung Lai hat schon früh Aufnahmen von europäischen Orchestern gehört und sich in den warmen, weichen Klang verliebt. Ihr war klar, wenn sie so spielen möchte, muss sie nach Deutschland kommen. Obwohl sie ihr Heimatland und ihre Familie sehr vermisst, möchte sie auch nach dem Studium in Deutschland bleiben und arbeiten. So geht es den meisten taiwanesischen Musikern. Wer einmal fort war, kommt wahrscheinlich nicht zurück - nur für Konzerte und Meisterklassen. Im Taiwan Philharmonic Orchestra spielen 99 Musiker. Ein Drittel von ihnen hat in Amerika studiert, ein Drittel in Europa. Nur acht Musiker kommen aus anderen Ländern und sind meist mit Musikern aus dem Orchester verheiratet.

Ich liebe den europäischen Klang, er ist weicher und wärmer.
Yi-Rung Lai

Für Yi-Rung Lai ist es ein ganz besonderer Moment in ihrer Heimat mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu spielen. Ihre Mutter ist gekommen, ihr Bruder und ein paar Freunde. Für das Konzert hat sie sich extra zurecht gemacht, erzählen die Kollegen - geschminkt, die Haare offen. Das kennen sie sonst nicht von ihr und finden das ganz rührend. An solchen Tagen macht die Kontrabass-Gruppe auch gerne mal eine Ausnahme, Yi-Rung darf heute am zweiten Pult spielen.

Klassische Musiker wie Popstars gefeiert

Das taiwanesische Publikum feiert das Orchester wie Popstars. Da wird gejubelt und viele springen von ihren Sitzen auf. Die Begeisterung ist so groß, dass die Zuschauer kaum den letzten ausklingenden Akkord der Alpensinfonie abwarten. Eine "urtümliche Begeisterung für Musik" stellt Konzertmeister Florian Sonnleitner beim taiwanesischen Publikum fest. Zum vierten Mal ist das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zu Gast in Taiwan. In der Gesellschaft habe sich in den letzten zehn Jahren viel getan, findet der Geiger - er spüre den demokratischen Aufbruch bei den Menschen und nehme sie als freier und spontaner wahr. Er spüre auch, sagt der reiseerfahrene Musiker, dass klassische Musik hier eine hohe Bedeutung habe. Auch in Taiwan identifizierten sich heute - wie andernorts in Asien - die Menschen mit den kulturellen und politischen Freiheitswerten des Westens.

Das BRSO auf Tournee

Annekatrin Schnur berichtete in ihrem Reisetagebuch über die Tournee des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks durch Asien. Das Orchester machte Station in Japan, Südkorea und Taiwan.

Tour-Tagebuch

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