Berlin, 12. Januar 1927: Der Komponist Schönberg erfindet neuartige Umsteigefahrkarten für die Berliner Straßenbahn. Auch zuvor hatte der Komponist schon zündende Einfälle. So gehen unter anderem die Erfindung einer Tennisschrift, ein Bibliothekenstuhl, eine Noten-Schreibmaschine oder ein Schachspiel für vier Parteien auf sein Konto.
Bildquelle: picture-alliance / IMAGNO/Photoarchiv Setzer-Tschie | Franz Xaver Setzer
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Er ist jemand, der die Dinge nicht zulassen kann, wie sie sind. Unermüdlich greift Schönberg ordnend ein, wann immer er Verbesserungsbedarf sieht, nicht nur in der Musik, wo er dem ausufernden Expressionismus mit seinem neuen Zwölfton-Regelwerk entgegentritt. Schönberg hat auf allen möglichen Gebieten die Welt verbessert.
Der Sohn spielt Tennis, der Vater möchte die Turnierspiele des Sohnes für die Nachwelt erhalten. Wie beim Schach will er die Spielzüge aufnotieren können –und so erfindet er eine Tennis-Schrift. Für seine Bibliothek zuhause entwirft und baut Schönberg einen neuartigen Stuhl, dessen leiterförmige Lehne man besteigen kann, um zu den höher gelegenen Regalfächern zu gelangen. Für die Musikindustrie erdacht, aber nie gebaut: Schönbergs Notenschreibmaschine. Es gibt Konstruktionszeichnungen, die zeigen, dass die Maschine funktionieren würde. Und es gibt ein abgelehntes Patentgesuch, zurückgewiesen aus formalen Gründen, nicht aus inhaltlichen.
Im Arnold Schönberg-Center in Wien steht Schönbergs originelles Schachspiel für vier Parteien: das sogenannte Koalitions-Schach mit völlig neuartigen Figuren und Zugmöglichkeiten. In Berlin dagegen hat sich Schönberg darüber geärgert, dass man beim Trambahn fahren vor jeden Umsteigen wieder eine neue Fahrkarte kaufen musste. Schönbergs Lösung: eine Umsteigekarte für den Straßenbahn-, Autobus- und Hochbahnverkehr, deren Gültigkeit auf eine gewisse Zeit beschränkbar ist.
Schönberge Entwurf für eine Umsteigefahrkarte | Bildquelle: Arnold Schönberg Center, Wien Eine runde Scheibe, darauf eine farbige Zeitzoneneinteilung. Der Schaffner würde zu Beginn der Fahrt einmal knipsen, danach wäre die Karte für eine bestimmte Zeit auf allen Strecken Berlins gültig. Am 12. Januar 1927 hat Schönberg den eigenhändig gezeichneten Entwurf für diese neuartige Umsteigefahrkarte weggeschickt, an die Direktion der Berliner Straßenbahn. Schönberg hat dabei allerdings einen Fehler gemacht er hat den Brief ohne Marke in den Briefkasten gesteckt. Ein Detail, auf das selbst berühmte Erfinder achten sollten. Die Straßenbahn nahm den Brief nicht an, die Post brachte ihn wieder zurück, und Schönberg sah das als Wink des Schicksals. Er verfolgte die Sache nicht mehr weiter und komponierte lieber wieder was Schönes.
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Sendung: "Allegro" am 12. Januar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK