Ein Rollendebüt an der Metropolitan Opera in New York für den polnischen Tenor Piotr Beczała: Er singt erstmals den Grafen Loris in Umberto Giordanos Oper "Fedora". Warum für diese Partie Caruso sein Vorbild ist, erzählt Beczała im Interview.
Bildquelle: Jean Baptiste Millot
BR-KLASSIK: Piotr Beczała, Ihr Terminkalender ist gerade gut gefüllt mit Konzerten und Auftritten. Ist Ihr Leben jetzt wieder so wie vor der Corona-Pandemie?
Piotr Beczała: Ja, schon seit Monaten funktioniert alles einwandfrei. Es gab sieben, acht Monate während der Corona-Zeit, bei denen ich kaum Auftritte hatte. Und wenn etwas passierte, dann online. Das Streaming ohne Live-Publikum war wirklich mühsam, denn wir singen ja für die Menschen im Saal. Eine Opernaufführung nur für die Kameras schafft nicht diese besondere Stimmung. Dann gab es viele Auftritte, zum Beispiel Liederabende, die ich coronabedingt verschoben habe. Die musste ich jetzt in den Kalender hineinbringen, was nicht so einfach war. Mein Kalender ist eigentlich überfüllt.
BR-KLASSIK: Gerade geben Sie in New York Ihr Debüt als Graf Loris in Umberto Giordanos "Fedora", BR-KLASSIK überträgt die Aufführung am 14. Januar live im Hörfunk. Was fasziniert Sie an dieser Partie?
Piotr Beczała singt als Graf Loris unter anderem die populäre Arie "Amor ti vieta". | Bildquelle: Johannes Ifkovits Piotr Beczała: Bei der Uraufführung in Mailand hat Enrico Caruso persönlich den Graf Loris gesungen, und später auch in New York. Das heißt, es ist eine bedeutende Rolle in der Oper, obwohl der Graf nicht permanent auf der Bühne zu sehen ist. Seine Arie "Amor ti vieta" ist sehr populär und wird oft gesungen, der Rest der Partie hingegen ist eher unbekannt. Aber ich brauche nicht fünf Arien und zwei Duette, damit eine Rolle für mich interessant ist. Ich bin ein Teamspieler und mag es, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Rolle im Stück funktioniert. Die Szenen mit Fedora sind sehr interessant geschrieben. Es ist einfach eine wunderschöne Oper, die auch von den Dialogen lebt.
Ich brauche nicht fünf Arien und zwei Duette, damit eine Rolle für mich interessant ist.
Der Verismo ist ein ab 1890 in Italien entwickelter Opernstil. Zeitgenössische und aktuelle soziale Themen stehen im Mittelpunkt. Typisch sind realistische Handlungen im unteren sozialen Milieu, oft mit gewaltsamem Höhepunkt. Die Musiksprache orientiert sich nicht mehr am Ideal des Belcanto. Zu den bekanntesten Verismo-Opern gehören Mascagnis "Cavalleria Rusticana" und Leoncavallos "Bajazzo".
BR-KLASSIK: Die Oper "Fedora" ist in der Stilrichtung des Verismo komponiert. Enrico Caruso ist ja mit dem Verismo aufgewachsen und hat ihn stimmlich geprägt. Sie singen die Rolle des Grafen Loris jetzt zum ersten Mal. Haben Sie Caruso im Ohr bei Ihrer Interpretation? Oder allgemein Vorbilder unter Ihren berühmten Kollegen?
Piotr Beczała: Ich höre mir sehr gern alte Aufnahmen an. Nicht eine bestimmte, sondern ziemlich viele, um mich nicht in eine interpretatorische Ecke treiben zu lassen. Caruso hat ja im Grunde den Verismo erfunden, denn die Komponisten haben für ihn geschrieben. Seine Interpretationen bis etwa 1915 waren sehr von Lyrik geprägt, daran orientiere ich mich sehr gerne.
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Fedora: "Amor ti vieta"
BR-KLASSIK: Sie entwickeln Ihr Repertoire außerordentlich sorgfältig. Sie haben bei Mozart angefangen und sich langsam weiterentwickelt, bis zum Verismo. Davon zeugt auch Ihr neues Album "Vincerò". Muss man dieses Ziel von Anfang an vor Augen haben bei der Karriereplanung? Oder geschieht so eine Entwicklung mit dem Älterwerden ganz natürlich?
Piotr Beczała: Ich habe diese Entwicklung schon vor mehr als 20 Jahren geplant. Als ich mich nach und nach immer wohler im 3. Akt von Giacomo Puccinis "La Bohème" gefühlt habe, habe ich mir Gedanken gemacht, dass Verismo vielleicht was für mich wäre.
"Verhör"-Kommissar Clemens Nicol ermittelt gegen Piotr Beczała. Wie sich bei der Befragung herausstellt, gibt es bei dem Tenor einige verdächtige Aktivitäten, die näher untersucht werden müssen. Sehen Sie hier das Video.
BR-KLASSIK: Wie entscheiden Sie, welche Partie Sie in Angriff nehmen?
Piotr Beczała: Wenn man die Arien nicht schafft, braucht man die Rolle nicht zu singen, das ist ganz klar. Ich gebe im Sommer zum Beispiel in Zürich mein Rollendebüt als Kalaf in Puccinis "Turandot". Dessen Arie singe ich schon seit Jahrzehnten mit Freude und Erfolg. So eine Vorgehensweise funktioniert für mich. Dann geht man an so eine Rolle mit einer gewissen Lockerheit heran.
BR-KLASSIK überträgt die Oper "Fedora" live am 14. Januar 2023 ab 18:59 Uhr aus der Metropolitan Opera New York.