Am 19. März wäre der Komponist Max Reger 150 Jahre alt geworden. Seine Musik verführt und überwältigt, sie befremdet und fasziniert – auch wenn sie zur Maßlosigkeit tendiert. BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff ist jedenfalls Fan.
Bildquelle: Max-Reger-Institut
Er hat eine unverwechselbare Stimme. Er hatte überbordende Phantasie. Und Mut. Er stand zu sich. Früher hätte man Max Reger ein Genie genannt, und ich habe kein Problem damit, ihn so zu nennen. Aber ich habe ein anderes Problem mit ihm.
Es heißt: Inflation. Wie oft denkt man: Wie schön – aber leider zu viel. Zu viel reingestopft, zu viele Stimmen, zu viele Tonartwechsel, zu viel Wucht und zu viel Input. Wie oft steht sich diese wundervolle Musik selbst im Weg! Die Briten sagen: Too much information kills information. Und deswegen winken viele Klassikliebhaber ab: Ach, Reger!
Dazu kommen Vorbehalte, die unfair sind und mit seiner Musik eigentlich nichts zu tun haben. Regers Musik sei maßlos, weil er auch im Leben kein Maß gekannt habe: zu viel gegessen, zu viel gearbeitet, zu viel getrunken. Biografisch stimmt das natürlich: Dass er mit nur 43 Jahren an Herzversagen starb, dass er während seines ganzen Lebens immer wieder von psychischen und körperlichen Krisen gebeutelt war, lag an diesem ungesunden Leben.
Aber Regers Musik ist viel zu kostbar, um sie biografistisch auf eine Art Symptom zu reduzieren. Als wäre das eine gültige Gleichung: maßloses Leben, maßlose Musik. So einfach geht das nicht auf. Dafür ist diese Musik viel zu gut. Zu wild, zu zärtlich, zu bizarr und zu farbig.
Reger verdient immer ein zweites Hinhören. Es stimmt: Oft bleibt seine Musik stecken in zu viel Kontrapunkt, zu viel Chromatik. Aber ebenso oft öffnet sie neue Räume. Vorher nie betretene Klangräume. Und emotionale Räume: Sehr oft ist diese Musik tief berührend. Aber diese kostbaren Momente muss man erst suchen und entdecken. Oft geht das nur durch ein zweites Hinhören.
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Max Regers Geburtshaus
Am 19. März 1873 (nicht am 17., wie es auf der Fotografie steht) wird Max Reger in Brand in der Oberpfalz als Sohn eines Dorfschullehrers geboren. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger mit seinen Eltern Philomena und Josef
Aufnahme von 1876; damals war Reger drei Jahre alt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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St. Michael am oberen Markt in Weiden
In Weiden in der Oberpfalz verbrachte Reger seine Kindheit. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Der elfjährige Max Reger mit seiner Schwester Emma
Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Szenenbild von der Uraufführung des "Parsifal" in Bayreuth
Im August 1888 wird Reger von seinem Onkel Johann Baptist Ulrich zu den Bayreuther Festspiele mitgenommen. Er besucht u.a. den "Parsifal" in der Inszenierung und Dekoration der Uraufführung von 1882. Reger, der zum ersten Mal eine Oper erlebt, ist so begeistert, dass er den Entschluss fasst, Musiker zu werden. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger mit 17 Jahren
In diesem Alter beginnt er sein Musikstudium. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Sondershausen, Blick aufs Schloss (Postkarte)
Von April bis Juli 1890 studiert er in Sondershausen ... | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Konservatorium von Sondershausen
... am Fürstlichen Konservatorium der Musik unter Hugo Riemann. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Wiesbaden, Blick vom Neroberg (Postkarte)
Im September 1890 wechselt er dann nach Wiesbaden. Dort betätigt er sich neben seinem Studium als Klavierlehrer. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Ernste Studentenrunde
Reger und seine Mitschüler (vorne) Adolph Pochhammer, Georg Behrmann (hinten) Hans Schmid-Kayser, Gustav Cords, Karl Erding am Konservatorium Wiesbaden | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger mit 22 Jahren (1895)
Im Februar 1894 findet in der Berliner Singakademie das erste ausschließlich Regers Schaffen gewidmete Konzert statt. Reger selbst nimmt an dem Konzert teil. Sein wichtigstes frühes kammermusikalisches Schaffen kommt dort zur Aufführung. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger mit 23 Jahren
1896 und 1897 leistet Reger seinen Militärdiens ab, der ihm verhasst ist. Die Folge ist ein gesundheitlicher Zusammenbruch. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger in Samtrock mit Zigarre
1898 kehrt Reger in sein Elternhaus zurück. Es gelingt ihm dort, seine kompositorische Tätigkeit verstärkt wiederaufzunehmen und - zumindest zeitweise - seine Alkohoksucht in den Griff zu bekommen. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger mit 29 Jahren
Im September 1901 übersiedelt Reger mit seiner Familie nach München. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Elsa und Max Reger
1902 heiratet Reger Elsa von Bercken. Da Elsa geschiedene Protestantin ist, wird Reger daraufhin von der katholischen Kirche exkommuniziert. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Von Reger beschriebene Postkarte der Münchner Wörthstraße
In München wohnte Reger in der Wörthstraße - zuerst in Nr. 35 (links), nach der Heirat in Nummer 20 (rechts). | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Theodor von Gosen: Max-Reger-Büste (1904)
Im Mai 1904 trägt Reger in Frankfurt - auf dem dortigen Tonkünstlerfest - mit dem Geiger Henri Marteau seine Violinsonate op. 72 vor. Dieses Konzert wird zu einem Durchbruch für Reger und seine Musik. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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München, Königliche Akademie der Tonkunst
Dorthin wird Max Reger 1905 als Nachfolger Josef Gabriel Rheinbergers berufen. Doch bereits ein Jahr später legt er sein Amt nieder, weil er mit dem konservativen Lehrkörper nicht zurechtkommt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger am Schreibtisch in der Villa Pinggera (1906)
Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Elsa und Max Reger mit der adoptierten Tochter Christa
Die Ehe der Regers blieb kinderlos. Allerdings adoptierten sie zwei Töchter: Christa und Selma Charlotte, genannt Lotti. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Elsa, Max und Christa Reger am Ostseestrand (1907)
Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Das Konservatorium in Leipzig
1907 wurde Reger zum Universitätsmusikdirektor und Professor am Königlichen Konservatorium in Leipzig berufen. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Regers Wohnung in Leipzig
In Leipzig wohnt Reger mit seiner Familie in der Felixstraße 4. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Willy von Beckerath: Max Reger dirigiert ...
... in der Musikhalle Hamburg, 1909. Von Reger signierte Druckgrafik | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger mit Zigarre (1910)
1910 wird Reger zum medizinischen Ehrendoktor der Universität Berlin ernannt - allerdings nicht etwa wegen seines gesunden Lebenswandels, sondern weil er, "auf der Kunst der alten Meister fußend, mit reicher Erfindungsgabe sich der Musica sacra e profana gewidmet und sie dem Volke zugänglich gemacht hat" - so die Begründung. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Postkarte vom Max-Reger-Fest in Dortmund, 1910
Das Dortmunder Reger-Fest verlief äußerst erfolgreich und markiert einen Höhepunkt in Regers Laufbahn. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Das Herzogliche Hoftheater in Meinigen
1911 wurde Max Reger zum Hofkapellmeister der berühmten Meininger Hofkapelle ernannt. "Es gibt nur ein Orchester, das ich haben möchte: Meiningen" - dies hatte Reger schon Jahre vor der Amtsübernahme postuliert. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen
Der Herzog war ein großer Förderer von Kunst und Kultur. Unter seiner Regentschaft erlebte die Meiniger Hofkapelle eine Blütezeit. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Kammermusik in Meinigen
Das Meininger Trio Max Reger, Hans Treichler und Carl Piening in Regers Wohnung | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Wilhelm Thielmann: Max Reger dirigiert
Karikatur, 1913 anlässlich der Meininger Musiktage in Marburg von der Elwert’schen Verlagsbuchhandlung gedruckt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Wilhelm Thielmann: Max Reger am Klavier
Karikatur, 1913 anlässlich der Meininger Musiktage in Marburg von der Elwert’schen Verlagsbuchhandlung gedruckt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Wilhelm Thielmann: Max Reger dirigiert
Karikatur, 1913 anlässlich der Meininger Musiktage in Marburg von der Elwert’schen Verlagsbuchhandlung gedruckt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Wilhelm Thielmann: Max Reger dirigiert
Karikatur, 1913 anlässlich der Meininger Musiktage in Marburg von der Elwert’schen Verlagsbuchhandlung gedruckt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Wilhelm Thielmann: Max Reger dirigiert
Karikatur, 1913 anlässlich der Meininger Musiktage in Marburg von der Elwert’schen Verlagsbuchhandlung gedruckt. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger komponiert
Gemälde von Franz Nölken (1913) | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger an den Flügel gelehnt (1914)
Im Februar 1914 erleidet Reger während eines Konzerts in Hagen einen schweren Zusammenbruch. Schon zuvor hatte er sein übermenschliches Arbeitspensum nur mithilfe von Alkohol bewältigen können. Seinen Posten als Hofkapellmeister muss er zum 1. Juli aufgeben. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Postkarte zur 350-jährigen Jubelfeier der Universität Jena
Ein Umzug nach Jena soll im März 1915 die Rettung bringen. Hier widmet sich Reger vorwiegend seinem Schaffen, und einmal pro Woche fährt er nach Leipzig, um dort seine Dozententätigkeit wahzunehmen. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger (1915)
In Jena verbringt Reger entspannte Monate, was sich auch auf den Charakter seiner Musik niederschlägt. An einen Freund schrieb er: "Jetzt beginnt der freie, jenaische Stil bei Reger." | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Max Reger im Hause Lentz (April 1916)
Am 11. Mai 1916 erliegt Max Reger im Leipziger Hotel "Hentschel" mit nur 43 Jahren einem Herzversagen. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Gedenktafel am Regerhaus in der Jenaer Beethovenstraße
Der Plan von Regers Witwe, das Haus in der Beethovenstraße zu einer Reger-Gedenkstätte umzuwandeln, konnte nicht realisiert werden. Doch schon im Juli 1916 wird von Freunden des Komponisten eine Max-Reger-Gesellschaft gegründet. | Bildquelle: Max-Reger-Institut
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Introduktion, Passacaglia & Fuge für Orgel, op. 127, Manuskript
In seinem kurzen Leben schuf Max Reger ein gewaltiges Werk, darunter zahlreiche Orgelwerke, aber auch Orchester- und Kammermusik, Chorwerke und Lieder. Paul Hindemith sagte über ihn: "Max Reger war der letzte Riese in der Musik." | Bildquelle: Oehms Classics
Aber wie kommt man rein in diese Musik? Bei Reger sollte man mit dem Spätwerk beginnen. Und am besten nicht mit den wuchtigen, tendenziell überladenen Hauptwerken. Wenn Reger meinte, er müsse es mit Beethoven, Brahms und Wagner auf einmal aufnehmen, tat er fast immer zu viel des Guten. Die Franzosen nennen das "Le Genre Chef-d’Oeuvre". Reger litt an einem Meisterwerk-Syndrom. Wenn er meinte, und das meinte er ziemlich oft, dass er mit einem Stück unbedingt Höchstleistungen abliefern müsse, damit es vor dem strengen Blick seiner überlebensgroßen Idole bestehen kann, dann blieb er oft gerade deswegen unter seinen Möglichkeiten.
Am 19. März wäre Max Reger 150 Jahre alt geworden. BR-KLASSIK widmet dem Komponisten zu diesem Anlass zahlreiche Sondersendungen. Unter anderem porträtiert ein Musik-Feature den Komponisten "In schwindelnden Höhen der Maßlosigkeit", außerdem sendet BR-KLASSIK Aufnahmen mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Und auch das Orgelwerk und geistliche Musik des gebürtigen Oberpfälzers kommen zu Gehör.
Ein Besessener: Der Komponist Max Reger | Bildquelle: picture-alliance/dpa In den Streichquartetten etwa: In dieser Gattung hatten Beethoven und Brahms so überirdisch großartige Vorbilder abgeliefert, dass Reger in seinen Quartetten in die Überbietungsfalle lief. Ganz anders seine Streichtrios. Da stand er nicht so unter Druck. Voilà: Wie charmant und witzig sind seine Trios! Da halten sich Schweres und Leichtes ganz unangestrengt die Waage. Dasselbe bei den Orchesterwerken. Da gibt es die offiziösen, die gewaltig unter ihrem Anspruch ächzen. Etwa das buchstäblich stundenlange Klavierkonzert. Oder der "Symphonische Prolog zu einer Tragödie". Schon der Titel ächzt. Monumentalität mit dem Zaunpfahl.
Aber wenn Reger sich frei macht von seinem Meisterwerk-Syndrom, dann gelingen ihm die wahren Meisterwerke. Etwa die Mozart-Variationen. Oder die Romantische Suite. Man spürt, wie er aufblüht, wenn er mal nicht so unter Druck steht, wenn er sich erlaubt, ein Nebenwerk zu schreiben – dann sprudeln die Einfälle, und dann bekommen sie auch den Raum, den sie verdienen, ohne gleich mit tausend Gegenstimmen zugedeckt zu werden Dann weiß ich, warum es sich lohnt, gelegentlich an seiner Musik zu leiden. Dann liebe ich Reger.
Sendung: "Allegro" am 17. März ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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