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Angelika Kirchschlager in München Mit Herz fürs Kunstlied

Sich demnächst von der großen Opernbühne zu verabschieden, das ist für die österreichische Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager alles andere als traurig. Auch, weil sie sich jetzt ganz auf Liederabende konzentrieren kann: Oasen fürs Herz, wie sie im BR-KLASSIK-Interview sagt.

Opernsängerin Angelika Kirchschlager | Bildquelle: © Nikolaus Karlinsky

Bildquelle: © Nikolaus Karlinsky

BR-Klassik: Frau Kirchschlager, Ihr Liederabend in München hat den Titel "An mein Herz". Nehmen Sie uns doch mal mit, was geht da in der “Pumpkammer” ab an diesem Abend? 

Angelika Kirchschlager: Der Abend wurde schon vor längerer Zeit geplant, bevor die Ereignisse in Israel und Palästina sich überschlagen haben. Und einmal mehr sieht man, wie wichtig es ist, dass man sich in solchen Zeiten Oasen schafft für sein Herz, für seine Seele und seinen Geist – um halbwegs über Wasser zu bleiben, auch mal durchatmen zu können, die Zuversicht nicht zu verlieren. 

BR-Klassik: Wenn Sie versuchen, diese Oasen näher zu beschreiben, was erwartet uns beim Konzert?  

Angelika Kirchschlager: Ich singe vor allem Lieder, die mir – das Wortspiel ergibt sich jetzt – , wirklich am Herzen liegen und das schon seit vielen Jahren. Ich wollte für diesen Liederabend mehr oder weniger meine liebsten Lieder zusammenstellen, die mich schon um die ganze Welt begleitet haben: Das ist Schubert, Schumann, Brahms und Richard Strauss. 

Angelika Kirschlager singt in München

Mehr zum Konzert am Samstag, 18. November 2023 im Johannissaal im Schloss Nymphenburg in der Reihe LIEDERLEBEN erfahren Sie hier.

BR-Klassik: Diese Reihe trägt den Titel LIEDERLEBEN. Wie erleben Sie denn das Kunstlied selber? War es früher anders? Hat sich Ihr Zugang im Laufe Ihrer Karriere verändert? 

Angelika Kirchschlager: Das ist eine richtig tolle Frage, die mir wirklich noch niemand gestellt hat in all den Jahren. Und die Antwort ist sofort klar: In diesen 35 Jahren, in denen ich jetzt Kunstlied singe und mich damit beschäftige, jetzt auch seit fünf Jahren als Professorin an der Universität für Musik in Wien für Lied-Interpretation, ist mir ganz klar geworden, dass das Lied für mich immer mehr an Natürlichkeit gewinnt. Diese Idee von einem Kunstlied, das so künstlich ist, dass man es als Normalsterblicher nicht verstehen könnte - das ist einfach falsch. Das Lied heißt wahrscheinlich deswegen Kunstlied, weil es so schwer herzustellen ist vom Interpreten. Und die Kunst, das Kunstlied gut zu singen, besteht darin, dass man es so singt, dass jeder meint, es ist ein Volkslied, das mir jetzt spontan gerade einfällt. 

Die Verinnerlichung ist ein ganz wesentlicher Punkt des Kunstliedes.
Angelika Kirchschlager


Ganz egal, ob das jetzt ein großes Orchesterlied von Strauß ist oder ein kleines Stückchen von Brahms. Es bricht sich immer auf das Gleiche runter. Für mich persönlich war das ein riesiger Findungsprozess, der auch noch nicht abgeschlossen ist. Es geht um die Verinnerlichung. Die Verinnerlichung ist ein ganz wesentlicher Punkt des Kunstliedes, wahrscheinlich jedes Liedes, aber auch des Kunstliedes. Und man braucht dafür Zuhörerinnen und Zuhörer, die Stille ertragen können, die Poesie lieben, die mit Worten, mit Gedichten noch was anfangen können. Und das ist, glaube ich, das größte Problem in dieser Zeit, dass es immer weniger Menschen gibt, die das suchen oder können. 

Beim Lied redet niemand rein

BR-Klassik: Das Bestreben, das Schwere aber auch das Künstliche normal, authentisch und leicht klingen zu lassen, trifft sicherlich auch für das Opernrepertoire zu, das Sie sehr lange gesungen haben. Was ist denn im Vergleich der Reiz? Oder die Fallhöhe, also Kunstlied versus Oper? 

Angelika Kirchschlager: Das kann man wirklich schwer vergleichen. Außer insofern, als dass ich versucht habe, die Direktheit und die Authentizität, die ich in mir selber immer gesucht habe und nach wie vor suche, auch in die Oper mitzunehmen. Der große Vorteil vom Lied ist, dass mir da überhaupt niemand reinredet. Ich bin in der Oper einfach einem Regisseur ausgeliefert – im schlimmsten Fall. Oder aber in den guten Händen eines Regisseurs, der ganz starke eigene Ideen haben sollte. Oder ich bin in den Händen eines Dirigenten oder einer Dirigentin, die von mir gewisse Dinge verlangen: Sei es das Tempo. Ich muss Kostüme anziehen, die mir nicht immer gefallen und muss mich dann irgendwie zurechtfinden und meine Rolle trotzdem gestalten. Also, es gibt mannigfaltige Ablenkung. Man ist auch nicht alleine auf der Bühne, man steht in der Gruppe, was an der Oper das besonders Feine ist, wenn man in einem guten Ensemble eingebettet ist. 

Selbst unterrichten zu können: Ein Glücksfall

BR-Klassik: Sind diese Ablenkungen auch ein Grund, warum Sie Ihre Karriere beenden? In den Untiefen des Internets findet man nämlich die Schlagzeile, dass Sie sich im Winter zurückziehen wollen. Was ist da dran? 

 Angelika Kirchschlager: Das ist insofern richtig, als ich im letzten April meinen letzten internationalen Liederabend in Basel gesungen habe: Mit Malcolm Martineau. Und jetzt in Zürich die Wiederaufnahme von Sweeney Tod mit Bryn Terfel singen werde, als Miss Lovett - eine grandiose Rolle. Ich finde, das ist ein tolles Schlussfeuerwerk für meine Operntätigkeit. Ich war so viele Jahre unterwegs. Ich will nicht mehr wochenlang weg sein von zuhause. Eine Opernproduktion bedeutet zwei Monate Abwesenheit von zuhause. Und wie gesagt: Ich unterrichte seit fünf Jahren an der Musikuniversität in Wien. Und bin so glücklich dort an dem Ort, wo ich selber ja hergekommen bin. Ich unterrichte jetzt im Nebenzimmer, wo ich bei weiter Walther Berry Lied studiert habe. Der Kreis hat sich geschlossen. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dem lieben Gott auf Knien danke, dass ich diesen Job bekommen habe, weil ich jetzt endlich ein halbwegs normales Leben leben kann. So wie alle anderen auch. Aber ich werde natürlich weiter singen. Ich singe bei Festivals in Österreich, da ergeben sich immer wieder Liederabende innerhalb von Österreich. Natürlich im kleineren Rahmen- aber genau das passt zu meiner momentanen Lebensphase. Ich bin ja auch nicht jünger geworden.  

Sendung: "Allegro" am 17. November 2023 ab o6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

 

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