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"Angel's Bone" am Theater Augsburg Den Finger in die Wunde legen

Zwei Engel fallen vom Himmel. Aber statt Hilfe zu leisten, nützen die Menschen die Himmelsgeschöpfe grausam für sich aus. Kein leichter Stoff, den die Komponistin Du Yun in ihrer Oper "Angel's Bone" verarbeitet. 2017 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, feiert das Stück nun seine europäische Erstaufführung in Augsburg.

Szenenbild aus "Angel's Bone" in einer Inszenierung am Theater Augsburg von Antje Schupp | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Es sind gebrechliche Geschöpfe, die da vom Himmel gefallen sind mitten aufs Anwesen von Mrs. und Mr. X.E.: zwei Engel mit blutbeflecktem Gefieder, gebrochenen Flügeln, die offensichtlich Hilfe brauchen. Doch da sind sie allerdings in der falschen Brombeerhecke gelandet. Mrs. und Mr. X.E. rupfen den Engeln die Federn aus und verkaufen private Sitzungen mit den beiden Engeln an die Kirchengemeinde. Eine Geschichte, die den Finger in die Wunde unserer Gesellschaft legt. Es geht um Macht, Ausbeutung, sogar Menschenhandel in dem Stück "Angel's Bone", dessen europäische Erstaufführung das Theater Augsburg in dieser Saison zeigt. Die in New York lebende Komponistin Du Yun hatte die Idee, dieses brisante Thema auf die Bühne zu bringen.  "Ich frage oft: Würdest du die 100€ auf der Straße aufheben, wenn niemand hinschaut. Oder was wäre, wenn es 10.000 sind? Wenn niemand hinsieht und es keine Konsequenzen gibt? Die Leute sagen oft, dass die Religion als Spiegel funktioniert. Also ist da doch jemand, der zuschaut. Aber wer ist dieser jemand in unserer heutigen Gesellschaft? Wer ist dieses dritte Auge?" Mit dieser kleinen Parabel fasst Du Yun die Ausgangsposition des Librettos zusammen.

Alma Naidu singt normalerweise Jazzsongs über Naturerlebnisse

Für die Jazzsängerin Alma Naidu ist es eine ganz neue Erfahrung, so einen schmerzhaften Stoff auf die Bühne zu bringen. Normalerweise singt sie in ihren eigenen gefühlvollen Songs über Naturerlebnisse, die Liebe. Jetzt spielt sie in der Oper "Angel’s Bone" am Staatstheater Augsburg einen der beiden gefallenen Engel. Ihr Parade-Stück in der Oper ist "Brick J". Durch den Verkauf von Mrs. und Mr. X.E. ist sie als Engel der Willkür von Brick J ausgeliefert, und der kriegt einfach nicht genug.

Erschütternde Szenen. Wie spielt man das?

Um diese erschütternden Szenen zu spielen, brauchen die Darstellerinnen und Darsteller ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander. Für Alma Naidu hat diesen Raum die Regisseurin Antje Schupp geschaffen. Immer im Austausch mit den Beteiligten hat sie die Grenzen des Darstellbaren ausgelotet. Und noch dazu hat sich Alma Naidu ihre eigene Taktik geschaffen: "Ich habe gemerkt, dass es einen Raum im Innern gibt, der ist unantastbar", erklärt sie. Egal also, was sie äußerlich spiele, für sich habe sie gewusst, dass an diesen inneren Raum niemand herankomme.  "Und das ist wichtig, immer wieder bei sich zu sein und zu sagen, hey, es ist alles ok, es geht nicht um mich, ich stelle diese Rolle dar."

Free Jazz, Marching Bands, Choräle: Du Yun kombinierte die Stile ihrer Lebenswelt

Die Komponistin Du Yun | Bildquelle: Zhen Qin Die Komponistin Du Yun. | Bildquelle: Zhen Qin Die Oper "Angel’s Bone" besteht nicht nur aus einer schnell voranschreitenden, immer überraschenden Handlung, auch die Musik wirft die Zuhörerin von einer Stilrichtung in die nächste. Der Schmerz klingt bei Komponistin Du Yun elektronisch, heulend. In der Welt der Engel erinnert die Musik hingegen an einen Choral aus vergangenen Zeiten. Dazwischen liegen musikalische Dialoge zwischen Oboe und Schlagwerk, Anklänge an Free Jazz, Marching Bands, Cabaret. Für Komponistin Du Yun ist dieser Mix die Essenz ihrer Lebenswelt. "Wenn du zum Beispiel Spotify anmachst, hörst du so viel verschiedene Musik. Du startest mit einem Album, dann gehst du weiter zum nächsten - dann recherchierst du vielleicht auch ein paar Dinge und du endest in diesem unendlichen Loch", erklärt sie. Warum sie dann diese verschiedenen Stile auf die Bühne bringt? "Weil es reflektiert, wie ich mein Leben lebe."

Himmel und Hölle - nach 80 Minuten Oper muss man erstmal durchschnaufen

80 Minuten dauert die Inszenierung am Staatstheater Augsburg, die einen musikalisch und bildlich zwischen Himmel und Hölle hin- und her schießt. Die eine Minute hinterher zum Durchschnaufen sollte auf jeden Fall eingeplant werden.

"Angel’s Bone" hat am Samstag, 4. Februar, Premiere in Augsburg.

 Sendung: "Piazza" am 4. Februar 2023 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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