Im kommenden Jahr feiert die Musikwelt den 200. Geburtstag Anton Bruckners. Obwohl seine Werke zum Standard-Repertoire der großen Symphonieorchester weltweit gehören, ist das Wissen über den Lebensweg des Komponisten eher rudimentär. Das liegt auch daran, dass es von ihm nur wenige Selbstzeugnisse gibt. Dafür kursieren manche Anekdoten, die den genialen Komponisten als lebensunpraktischen Sonderling abstempeln. Eine neue Biografie bringt Licht ins Dunkel von Bruckners Vita.
Bildquelle: Verlag Anton Pustet
Anton Bruckners Weg als Komponist war steinig. Einer der größten Symphoniker des 19. Jahrhunderts zu werden war ihm nicht in die Wiege gelegt worden. Wie sein Vater hatte er die Schullehrerlaufbahn eingeschlagen, weil sie ihm eine solide Musikausbildung ermöglichte, ihm aber auch jede Menge Pflichten jenseits der Musik abverlangte. Das Arbeitspensum von Bruckner in seinen frühen Jahren war enorm, wie in der aktuellen Biografie über Bruckner herausgestellt wird:
"Bruckners Alltag in St. Florian war ausgefüllt mit Lehre und Musik. Neben seiner Gehilfentätigkeit in der Volksschule und als Privatlehrer der Sängerknaben gab er Privatunterricht und erteilte Klavierunterricht. Seit 1845 spielte er in der Stiftskirche als Assistent des Organisten Anton Kattinger. 1850 übernahm er dessen Posten als provisorischer Organist und hatte damit einige Kirchendienste zu spielen. Neben der Kirchenmusik mit den notwendigen Proben, dem Üben an der Orgel und am Klavier sowie der Komposition von Werken war Bruckner im musikalischen Bereich stets mit Weiterbildung und intensivem Selbststudium beschäftigt."
Die von Alfred Weidinger und Klaus Petermayr herausgegebene Biografie schildert detailliert gerade die wenig bekannten Anfänge Bruckners vom Dorfschullehrer bis zum Organisten in Linz und schließlich zum erfolgreichen Komponisten und Lehrer für Kontrapunkt in Wien. Das Ringen um Vorwärtskommen und um Anerkennung kennzeichnen Bruckners Lebenslauf für lange Zeit. Die Häufigkeit absolvierter Prüfungen und Vorspiele, um die nächsten Stufen auf der Karriereleiter zu erreichen – zunächst im Schuldienst und dann im Kirchendienst – ist schier unglaublich. Simon Sechter, bei dem Bruckner nebenher sechs Jahre lang Kompositionsunterricht nahm, warnte seinen Schüler sogar, er solle sich nicht überanstrengen:
"Ihre 17 Hefte mit Arbeiten über den doppelten Contrapunct habe ich durchgesehen, und mich mit Recht über Ihren Fleiß gewundert, sowie über die Fortschritte, die Sie darin gemacht haben. Damit Sie aber in Gesundheit nach Wien kommen können, ersuche ich Sie, sich mehr zu schonen und sich die nötige Ruhe zu gönnen. Ich bin ja ohnehin von Ihrem Fleiße und Ihrem Eifer überzeugt, und möchte daher nicht haben, dass Ihre Gesundheit durch zu große geistige Anstrengung zu leiden hätte. Ich fühle mich gedrungen Ihnen zu sagen, dass ich noch gar keinen fleißigeren Schüler hatte als Sie."
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Komponist Anton Bruckner | Bildquelle: Gesellschaft der Musikfreunde, Wien
Bruckner war kein inspirierter Briefschreiber, weshalb die Herausgeber auf Briefe von Freunden und Weggefährten zurückgreifen mussten, um ein lebendiges Bild dieser außergewöhnlichen Begabung und ihres verschlungenen Karrierewegs zeichnen zu können - und auch um mit einigen Vorurteilen aufzuräumen, wie etwa Bruckners mitunter spöttisch beurteiltes Äußeres:
"Die von der englischen Mode beeinflusste Ausstattung musste ohne viel modische Raffinesse praktisch gearbeitet sein und das repräsentieren, was für die neuen Berufe des Bürgertums notwendig war: eine Uniform an Gediegenheit und Fleiß. Eine modische Weiterentwicklung und damit zeigemäße Entsprechung fanden nicht statt. Eine Entscheidung, die Bruckner im Laufe seines Lebens auch Kritik einbrachte und zu seinem Markenzeichen wurde."
Waren es anfangs widrige Lebensumstände, so waren es später selbsternannte Wächter der musikalischen Weisheit wie der einflussreiche Wiener Kritiker Eduard Hanslick, die Bruckners Fortkommen als Komponist erschwerten. Selbst als schon berühmter Organist, Improvisator und Komponist musste er immer wieder um Anerkennung ringen. Dabei waren die Modernität und außerordentliche Qualität seiner Musik in seiner Linzer Zeit fast noch mehr erkannt worden als später in den so viel mehr gebildeten Wiener Kreisen. Auch darüber erfährt man viel in dieser erhellenden Biografie.
Als fundierter Einstieg zum Bruckner- Jubiläumsjahr 2024 und zum besseren Verständnis von Bruckners Person und seiner Musik ist Weidinger und Petermayrs Biografie eine erste wichtige Neuerscheinung.
Zum 200. Geburtstag des großen Musikers und Komponisten, herausgegeben von Klaus Petermayr und Alfred Weidinger, erschienen im Verlag Anton Pustet 2023, 352 Seiten, 30,00 Euro.
Sendung: "Leporello" am 22. Dezember ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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