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Aufregung um neues Steuergesetz Private Musiklehrer unter Druck

"Alarmstufe rot" warnte kürzlich die "Ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern": Ein anvisiertes neues Steuergesetz bedrohe Existenzen von privaten Musiklehrern. Das Finanzministerium versucht zu beruhigen. Dennoch sind die Sorgen in der Branche groß.

Erwachsenenhände und Kinderhände üben am Klavier | Bildquelle: picture alliance / dpa Themendienst | Florian Schuh

Bildquelle: picture alliance / dpa Themendienst | Florian Schuh

Gabriele Ropeter ist aufgewühlt. Sie leitet eine kleine, private Musikschule in München. Etwa 150 Kinder, Jugendliche und Erwachsene lernen dort ein Instrument oder nehmen Gesangsunterricht. Ropeter fürchtet nach Rücksprache mit ihrer Steuerberaterin, dass sie ab nächstem Jahr Umsatzsteuer zahlen muss. Die Musikerin sagt: "Ich habe Angst, dass durch die Neuregelung des Umsatzsteuergesetzes das Überleben meiner kleinen privaten Musikschule 'Musik in Moosach' und damit auch meiner zehn Lehrerinnen und Lehrer in Gefahr gerät." Bisher müssen sie und ihre Lehrer als studierte Musiker keine Umsatzsteuer zahlen. Ropeter führt aus: "Wir haben einen Bildungsauftrag bekommen vom Kultusministerium, sind zertifiziert mit Hochschuldiplom, müssen uns permanent weiterbilden und sind aufgrund dieses Auftrags bisher umsatzsteuerbefreit worden."

Sorgen wegen Formulierungen im Entwurf

Mit ihren Ängsten ist Gabriele Ropeter nicht allein. Anlass ist ein Papier aus dem Bundesfinanzministerium, der Entwurf für das Steuergesetz 2024. Für öffentliche Musikschulen ändert sich nichts. Vielfach wird der Entwurf aber so verstanden, dass private Musikinstitute und private Musiklehrer künftig Umsatzsteuer zahlen müssen.

Konkret bereitet Freiberuflern in Punkt 21 § 4 Nummer 21 die Formulierung Sorgen, dass künftig nur Personen und Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit werden, die "keine systematische Gewinnerzielung" anstreben. Außerdem die Ausführung in der Begründung des Gesetzes: "Nicht befreit sind Leistungen, die der bloßen Freizeitgestaltung dienen, […] da diese nicht zu den Bildungsleistungen […] zählen".

Verbände warnen vor Folgen

Mädchen mit Kontrabass in Schulkorridor | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Berufsverbände wie zum Beispiel der Tonkünstlerverband und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbstständigenverbände, aber auch der Verein "Ständige Konferenz für Kunst und Kultur in Bayern" warnen, dass eine solche Änderung drastische Folgen haben könnte. Denn private Musiklehrer verdienten ohnehin wenig und müssten die Umsatzsteuer auf den Preis draufschlagen. Viele Eltern könnten aber nicht mehr bezahlen und würden kündigen. Freiberuflichen Musiklehrern breche dadurch die Existenzgrundlage weg – und viele Kinder und Erwachsene würden kein Instrument lernen.

Gedankenfehler bei der Kalkulation?

Auch Musikpädagogin Antje Molz aus dem Vorstand vom Bayerischen Landesverband der Kultur- und Kreativwirtschaft (BLVKK) sorgt sich. Molz berät für den Verband andere Künstlerinnen und Künstler und unterrichtet im Landkreis Würzburg privat Klavier und Querflöte. Sollte sie Umsatzsteuer zahlen müssen, müsste sie das auf die Schüler umlegen. "Für mich persönlich würde das bedeuten, ich müsste ab 1. Januar 2025 19 Prozent teurer werden, ohne dass ich irgendeinen Vorteil davon habe. Was bedeutet, dass sich alle meine Schülerinnen und Schüler überlegen müssen, ob sie sich Musikunterricht überhaupt noch leisten können. Einige werden dann abspringen."

Ein Rechenbeispiel: Zahlt ein Schüler heute 100 Euro im Monat für Klavierstunden, wären das mit umgelegter Umsatzsteuer künftig 19 Euro mehr im Monat. Aufs Jahr gerechnet 228 Euro mehr. Für viele zu viel Geld. Molz kritisiert: "Der Gedankenfehler im Entwurf liegt darin, dass angenommen wird, die meisten Menschen wären angestellt und das Wichtigste wären staatliche, geförderte Einrichtungen und es gäbe ein bisschen freien Musikunterricht. Das Gegenteil ist der Fall."

Nicht genug Plätze bei öffentlichen Musikschulen

Gerade in der Fläche übernehmen selbstständige Musiklehrer und private Musikinstitute eine wichtige Rolle in der musikalischen Ausbildung. Die geförderten öffentlichen Musikschulen haben nicht genug Plätze, um alle aufzunehmen, die ein Instrument oder Singen lernen, musikalische Früherziehung besuchen oder im Ensemble spielen wollen. Beim Verband der öffentlichen Musik- und Singschulen in Bayern waren zuletzt etwa 200 Musikschulen mit insgesamt etwa 200.000 Schülerinnen und Schüler registriert. Daneben sind im Tonkünstlerverband rund 2.000 freie Musikpädagoginnen und Musikpädagogen in Bayern angemeldet, die etwa 30.000 Schüler unterrichten. Außerdem 100 private Musikinstitute mit rund 25.000 Schülern.

Überregulierung und Bürokratisierung befürchtet

Cellostunden in einer Musikschule  | Bildquelle: dpa-Bildfunk Bildquelle: dpa-Bildfunk Tamino Rat ist Vorsitzender des Landesverbands der freien Musikinstitute Bayern und betreibt eine private Klavierschule. Er kennt die Sorgen vieler Kollegen, sieht die Neuregelung aber gelassener. Denn aus seiner Sicht gibt der Gesetzestext nicht her, dass private Musikschulen künftig Umsatzsteuer zahlen müssen. Ein Problem sieht er aber darin, dass künftig Finanzämter über die Umsatzsteuerbefreiung entscheiden sollen. "Zu befürchten ist, dass die Finanzämter die Umsatzsteuerbefreiung hinsichtlich des Musikunterrichts in Zukunft anders beurteilen werden, als es die Landesregierungen in der Vergangenheit getan haben", sagt Rat. Er begründet seine Sorge mit vergangenen Gerichtsurteilen, laut denen Finanzämter Musikunterricht zu Unrecht für umsatzsteuerpflichtig erklärt hatten. "Dieser Gesetzesentwurf schafft Überregulierung, Bürokratisierung, Verkomplizierung und totale Rechtsunsicherheit für Unternehmerinnen und Unternehmer der Bildungsbranche", so Rats Fazit.

Ministerium beruhigt, Wunsch nach Änderungen bleibt

Das Bundesfinanzministerium versucht derweil zu beruhigen. Die Neufassung sehe "eine Einschränkung der Steuerbefreiung konkret von Musikschulen und Musiklehrern" nicht vor, teilte eine Sprecherin auf BR-Anfrage mit. In der Gesetzesbegründung werde Musikunterricht als Ausbildung und damit als umsatzsteuerfrei benannt. Das gelte auch für die Leistungen selbständiger Musiklehrer. Dennoch sind viele private Musiklehrer aufgrund der bisherigen Formulierungen beunruhigt und hoffen auf Änderungen, wenn der Entwurf ab September im Bundestag beschlossen wird. Sie fordern, das bisherige Bescheinigungsverfahren durch die Landesbehörden beizubehalten und weiterzuentwickeln. Und dass im Gesetz klar formuliert wird, dass auch private Musiklehrer und Musikschulen keine Umsatzsteuer zahlen müssen.

Sendung: "Allegro" am 22. August 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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