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Bayerische Staatsoper Warum Intendant Serge Dorny so umstritten ist

Die Spekulationen um einen Führungswechsel an Deutschlands größtem Opernhaus reißen nicht ab. Angeblich strebt Kunstminister Markus Blume eine deutliche Verjüngung an und will Dirigentin Joana Mallwitz an die Bayerische Staatsoper holen. Intendant Serge Dorny wird ein ruppiger Führungsstil vorgeworfen.

Serge Dorny | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Es ist ein Spannungsverhältnis, das immer wieder für Schlagzeilen sorgt, und zwar nicht nur in München: Intendanten und Geschäftsführer sind selten einer Meinung, vor allem dann, wenn es um Geld und Personal geht, um Kunst zu ermöglichen. Insofern gibt es kaum ein größeres deutsches Theater, an dem nicht von gelegentlichen oder dauerhaften Verwerfungen zwischen beiden Führungskräften die Rede ist. Auch an der Bayerischen Staatsoper soll Intendant Serge Dorny aktuellen Schlagzeilen zufolge mit seinem Geschäftsführenden Direktor Roland Schwab nicht sonderlich gut harmonieren. Schwab arbeitete zeitweise im bayerischen Kunstministerium, insofern liegt es nahe, dass er dort gut vernetzt ist und wichtigen Akteuren von seinen Erfahrungen berichtet.

Schlechte Stimmung am Haus?

Serge Dorny bei der Präsentation der neuen Saison am 05.05.2022 in der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: picture alliance/dpa | Peter Kneffel Serge Dorny bei der Präsentation der neuen Saison am 05.05.2022 in der Bayerischen Staatsoper. | Bildquelle: picture alliance/dpa | Peter Kneffel Serge Dorny muss sich öffentlich vorgetragene Vorwürfe gefallen lassen, sein Führungsstil habe in der Bayerischen Staatsoper für "schlechte" Stimmung gesorgt, etwa im Chor. Dessen ehemaliger Leiter Stellario Fagone wurde am 7. März letzten Jahres fristlos gefeuert – mittlerweile leitet er den Tölzer Knabenchor. Was an all den Spekulationen dran ist, lässt sich von außen schwer beurteilen. Vieles ist theatertypisch und wäre nicht weiter von Belang, denn in der eitlen Branche geraten große Egos gern aneinander. Wer Abträgliches über Intendanten hören möchte, muss nur auf eine beliebige Premierenfeier gehen, egal, an welchem Ort. Was Serge Dorny gefährlich werden könnte: Er gilt als "richtiger" Mann am falschen Ort.

Politisches Musiktheater als Intendant in Lyon

An der Oper Lyon, die der Belgier zwischen 2003 und 2021 mit "planerischem Wagemut" hervorragend profilierte, sorgte er für ein modernes, frisches, politisch relevantes Musiktheater in der Tradition seines unvergessenen Landsmanns und Vorbilds Gerard Mortier. Deshalb galt Dorny als gefragte Führungskraft. Doch ein Engagement an der Dresdener Semperoper scheiterte 2014 schlagzeilenträchtig, nicht zuletzt deshalb, weil örtliche Kulturpolitiker im Nachhinein befürchteten, dass Dornys betont politisches Kunstverständnis mit dem eher traditionellen Wirken des dort tätigen Chefdirigenten Christian Thielemann unvereinbar gewesen wäre.

In München klappte es dann ein paar Jahre später mit der Intendanz, doch von Anfang an gab es Stimmen, die Dorny hier ebenso fehl am Platz hielten wie in Dresden. Grund dafür: das eher konservative, auf Stars orientierte Publikum an Elbe und Isar, das mit dem in Lyon in keiner Weise vergleichbar ist. Für besondere Neugier und wilde Experimentierfreude ist die Bayerische Staatsoper jedenfalls bis dahin nicht bekannt gewesen.

Spekulationen über mögliche Nachfolger

Das designierte Führungsduo der Bayerischen Staatsoper auf einer Pressekonferenz am 12. März 2018 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Intendant Serge Dorny mit Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski (links). | Bildquelle: picture-alliance/dpa Ob Kunstminister Markus Blume damit liebäugelt, den Stuttgarter Intendanten Viktor Schoner für München zu gewinnen und ihm die derzeit in Berlin verpflichtete Joana Mallwitz als Generalmusikdirektorin zur Seite zu stellen, wie Beobachter spekulieren, sei dahingestellt. Plausibel wäre es nur teilweise: Die ungemein dynamische und hoch emotionale Mallwitz brachte das Nürnberger Opernhaus musikalisch ganz nach vorn und wäre zweifellos ein großer Gewinn. Viktor Schoner allerdings steht ähnlich wie Dorny für das schauspielerisch anspruchsvolle Ensemble-Musiktheater, das weitgehend ohne Stars auskommt, und einen Spielplan mit Überraschungseffekten. Insofern wäre mit ihm keine inhaltliche Neuorientierung zu erwarten, obgleich er unter Intendant Nikolaus Bachler an der Bayerischen Staatsoper als Leiter des Künstlerischen Betriebsbüros durchaus Erfahrungen mit luxuriösen Besetzungen gesammelt hat. Über die Social Media-Plattform X (ehemals Twitter) dementierte die Staatsoper Stuttgart jedoch einen Wechsel von Schoner nach München.

Unmut trotz hoher Auslastung

Dem derzeitigen Münchner Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski ist weder künstlerisch noch politisch irgendetwas vorzuwerfen, so souverän, wie er etwa einen Klimaaktivisten-Protest bei einem Gastauftritt im schweizerischen Luzern meisterte. Ersatzweise ist davon die Rede, dass er zu selten am Pult stehe und mit einigen Münchner "Hausgöttern", etwa Mozart, fremdeln soll – eine Kritik, mit der sich auch schon sein umjubelter Vorgänger Kirill Petrenko herumschlagen musste. Das russische Repertoire, auf das sich der gebürtige Moskauer und Wahl-Berliner Jurowski besonders gut versteht, zählt in München jedenfalls nicht zu den "Herzensangelegenheiten" der Abonnent:innen. Die mäkeln tatsächlich in Premieren regelmäßig über den Spielplan, gelegentlich bleiben auch Sitze leer, wie bei ungewöhnlichen Werken nicht anders zu erwarten. Mag sein, dass dieser Unmut im Kunstministerium ankam und das Verhältnis zur Theaterleitung eintrübte. Dass Dorny zeitweise als Leiter der Salzburger Festspiele im Gespräch war, dürfte das Vertrauensverhältnis ebenfalls erodiert haben. Dennoch sind die Auslastungszahlen am Haus stark: In der laufenden Saison liegen sie nach Angaben der Staatsoper insgesamt bei 95%.

Baldige Entscheidung wäre sinnvoll

So, wie die Dinge liegen, muss Minister Markus Blume schnell reagieren und Tatsachen schaffen. Entweder verlängert er die Verträge von Dorny und Jurowski und bekennt sich zu deren mitunter umstrittenen Spielplanpolitik, oder er setzt einen baldigen programmatischen Wandel durch. In der Schwebe lässt sich die Sache nicht halten, denn die Debatte schadet der Bayerischen Staatsoper und deren Führung. Es gilt, Pläne für die kommenden Premieren zu schmieden und – wenn gewünscht – Weltstars anzuheuern, die auf Jahre ausgebucht sind.

Statement vom Bayerischen Kunstminister

Kunstminister Markus Blume wies gegenüber dem BR alle Spekulationen um die Staatsoper und ihr Personal als "schädlich und absurd" zurück: "Die Staatsoper eilt von Erfolg zu Erfolg, sie gehört zu den besten und bedeutendsten Opernhäusern der Welt. Wir befinden uns in vertrauensvollen Gesprächen und liegen voll im vertraglich vereinbarten Zeitplan." Im Übrigen würden Personalangelegenheiten "absolut vertraulich" behandelt: "Spekulationen in Medien und Parlament stiften nichts als Unruhe und sind für das weitere Verfahren schädlich."

Sendung: "Leporello" am 17. April 2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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