"Hamlet" von Shakespeare ist zeitloser Bühnenstoff. Auch bei den Opernfestspielen der Bayerischen Staatsoper wird er behandelt, in einer ganz besonderen Fassung des australischen Komponisten Brett Dean. Vladimir Jurowski dirigiert die erste Festspiel-Premiere in München – und kennt das Werk in- und auswendig.
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Die Texte von Williams Shakespeare zu vertonen sei gar nicht so einfach, sagt Vladimir Jurowski, Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper. "Der Text wehrt sich dagegen." Deshalb nutzten Komponisten in der Vergangenheit ein extra geschriebenes Libretto. Jurowski ist davon überzeugt, dass es für die Vertonung des Librettos dann einen Komponisten brauche, der in der Lage sei, eine Musiksprache zu entwickeln, die der Poesiesprache von Williams Shakespeare ebenbürtig ist. Dem australischen Komponisten Brett Dean sei das gelungen, sagt Jurowski.
Brett Dean komponierte die Oper "Hamlet" ursprünglich für das berühmte Glyndebourne Festival in England. Auftraggeber war damals Vladimir Jurowski selbst, der bei der Uraufführung im Jahr 2017 auch die musikalische Leitung innehatte. "Deans 'Hamlet' ist die erste mir bekannte absolute gelungene Oper, wo der Text von Shakespeare in seiner unverfälschten, wahren Gestalt daherkommt", sagt Jurowski. Möglich gemacht hat das Matthew Jocelyn, der das Libretto zur Oper schrieb.
Der Dirigent Vladimir Jurowski | Bildquelle: Wilfried Hösl Ursprünglich geht es in Shakespeares Tragödie darum: Prinz Hamlet studiert gerade an der Universität in Wittenberg, als er erfährt, dass sein Vater König Hamlet in Dänemark verstorben ist. Auf Besuch in der Heimat trifft der Prinz wider Erwarten aber auf keine Trauergesellschaft, sondern auf gute Laune. Seine Mutter Gertrude hat sich mit Claudius vermählt, Bruder ihres verstorbenen Mannes. Prinz Hamlet erscheint der Geist seines Vaters, der ihn darauf hinweist, Claudius habe ihn ermordet. Der Geist beauftragt den jungen Prinzen Rache zu üben. Was nun der Librettist Jocelyn aus dem Stoff macht, ist etwas Anderes. Die Darsteller sprechen beispielsweise einen Text, der gar nicht ihrer Rolle zugeordnet ist oder an anderer Stelle des Stücks vorkommt. Für jemanden, der Shakespeare gut kenne, sei das ein Schock, sagt Vladimir Jurowski, aber auch ein "Denkanstoß".
Das Libretto an sich ist schon ein absolutes Meisterwerk.
Zwei Premieren, große Namen: Lesen Sie hier, was dieses Jahr bei den Münchner Opernfestspielen außer "Hamlet" auf dem Programm steht.
Szene aus der Oper "Hamlet" von Brett Dean an der Bayerischen Staatsoper 2023 | Bildquelle: Wilfried Hösl Interessant findet der Dirigent Jurowski auch die Musik von Brett Dean. Dean, der jahrelang als Bratschist bei den Berliner Philharmonikern spielte, nutze die Musik etwa, um die Dialoge der Darsteller zu kommentieren. Der Chor, der sich auf der Bühne und im Orchestergraben befinde, imitiere den König und nehme einzelne Silben aus seinen Worten hinaus und parodiere diese. "Da wir nicht sehen, wer das macht, bekommt man das Gefühl, der ganze Raum ist erfüllt von Stimmen, die die Rede des Königs durch den Kakao ziehen." Dazu setzt Dean eine ganze Reihe von Effekten ein. Diese könne man nur schwer beschreiben, erzählt Jurowski – "die muss man hören". Die Musikerinnen und Musiker des Staatsorchesters legen dafür ihre Instrumente beiseite und spielen auf Plastikflaschen, Metallobjekten, zerreißen Zeitungspapier und lassen Steine "klingen". Die Steine nutzt Dean als eine Art Leitmotiv für die Figur Hamlets. Mit Hamlets Tod verschwinden die Steine wieder.
"Hamlet" von Brett Dean
Libretto: Matthew Jocelyn nach William Shakespeare
Musikalische Leitung: Vladimir Jurowski
Inszenierung: Neil Armfield
Eine Glyndebourne Produktion
Premiere: Montag, 26. Juni 2023, Bayerische Staatsoper
Liveübertragung ab 19:00 Uhr auf BR-KLASSIK
Die Partitur, die auf DIN A2 Papier gedruckt ist und für die das Dirigentenpult erweitert werden musste, beginnt mit einem 60 Sekunden andauernden Takt, in dem nur Geräusche vorkommen. "Das sind Geräusche, als würde man in einem Geisterhaus sein und das Haus bewegt sich um einen herum. So ein Gefühl hat der Zuschauer." Es entstehe aber wirklich Musik daraus, sagt Jurowksi.
Szene aus der Oper "Hamlet" von Brett Dean an der Bayerischen Staatsoper 2023 | Bildquelle: Wilfried Hösl Neben dieser Geräuschmusik seien aber auch viele eingängige Melodien dabei, die manchmal die Anmutung von Popmusik à la Björk oder Portishead hätten. Auch die Besetzung ist interessant: Der Komponist Brett Dean setzt gleich zwei Countertenöre ein, die Rosenkranz und Guildenstein verkörpern. Und diese treten nur als Duo, nie alleine auf. "Es ist eine sehr komplexe und eine sehr eklektische Musiksprache". Bretts "Hamlet" wirkt auf Vladimir Jurowski, als sei man in einer Shakespeare-Inszenierung und in einem Tarantino-Film gleichzeitig. Deans und Jocelyns Version sei eine Familiensaga mit sehr vielen Toten am Ende geworden, resümiert Jurowski. Ein zeitloses Stück über eine kaputte Familie. Politisch sei es nicht, vielmehr ein Werk über Menschen und menschliche Beziehungen.
Sendung: "Festspielzeit live aus dem Münchner Nationaltheater", ab 19:00 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 29.Juni, 20:54 Uhr
Dr. Peter Kather
Montag Oper
Hier schon mal zur Vorbereitung!