Am Freitagabend eröffnet Vladimir Jurowski zusammen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin das Augsburger Mozartfest. Und das ganz standesgemäß mit der Ouvertüre aus "Don Giovanni". Welche Bilder ihm dabei kommen, erzählt der Dirigent im Interview.
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BR-KLASSIK: Vladimir Jurowski, Mozart, sagt man, hatte eine schwierige Beziehung zu seinem Vater. Wir wissen das aus seinen Briefen. Jetzt haben wir hier eine Oper, in der geht es um den Rebell Don Giovanni, der gegen die väterliche Autorität des Komturs aufbegehrt. Glauben Sie, dass man das psychoanalytisch verstehen kann, dass Don Giovanni irgendetwas von den Konflikten zwischen Vater und Sohn, zwischen Leopold und Wolfgang, verarbeitet?
Vladimir Jurowski: Man kann das definitiv so sehen. Der Film "Amadeus" von Milos Forman tut das zum Beispiel. Dort erklingt die "Don Giovanni"-Ouvertüre zu Szenen, in denen Mozart mit seinem Vater hadert. Es kommt aber auch darauf an, wie man die Figur von Don Giovanni im Theater anlegt. Wenn man ihn als jugendlichen Rebellen darstellt, dann liest man das noch eher aus der Geschichte. Es gibt aber auch die Lesart, dass Don Giovanni in einer Art Midlife-Crisis steckt, dass er die ersten Misserfolge bei den Frauen verdauen muss. Und wenn man das dann auch noch mit einem reifen Bariton besetzt, dann ist diese Vater-Sohn-Lesart nicht mehr so plausibel.
BR-KLASSIK: Die Konzertfassung der "Don Giovanni"-Ouvertüre endet - anders als in der Oper- in strahlendem D-Dur. Aber eigentlich ist hier Moll vorherrschend, was bei Mozart ja wirklich die Ausnahme ist. Und trotzdem: Seine wenigen Moll-Stücke entfalten eine dermaßen starke Dämonie und eine so große Kraft und Faszination, dass sie einem vielleicht doch zeigen, dass Mozart mit der Nachtseite sehr viel zu tun hatte ...
Vladimir Jurowski: Absolut! Wobei man hier auch unterscheiden muss: Die Tonarten haben bei Mozart verschiedene Bedeutungen. Es gibt zum Beispiel einen großen Unterschied zwischen Mozarts d-Moll und seinem g-Moll. Letzteres hat bei ihm immer was mit menschlichem Leiden zu tun. Sein d-Moll hat dagegen eine absolut infernalische Bedeutung. Für Mozart ist das der Ausdruck der Hölle.
Für Mozart ist das der Ausdruck der Hölle
BR-KLASSIK: Sie schildern das unglaublich anschaulich. Sie haben schon starke Geschichten und Bilder im Kopf, wenn Sie sein Werk interpretieren, oder?
Vladimir Jurowski: Ja, ich sage mal so: Ich mache mir Bilder, die aber nicht unbedingt für den Zuhörer bestimmt sind. Das Publikum muss nicht genau so hören, wie ich das empfinde. Aber ich brauche diese Geschichten, um aus dieser Musik nicht nur den formalen, musikalischen Sinn, sondern auch eine Gefühlswelt hervorzuzaubern.
Neben Mozart stehen auch Schubert und Schostakowitsch auf dem Programm, des Konzerts, das Vladimir Jurowski zusammen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin am 5. Mai in Augsburg gibt. Einlass ist ab 19 Uhr im Kongress am Park. Hier finden Sie ausführliche Informationen.
Sendung: "Allegro" am 5. Mai ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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