BR-KLASSIK

Inhalt

Bernard Haitinks letztes Konzert Abschied eines großen Dirigenten

Abschied nehmen, das ist ein großer Schritt. Ob es sich um einen geliebten Menschen handelt, dem man Lebewohl sagt, oder um einen Lebensabschnitt, der nicht mehr wiederkommt. Der inzwischen 90-jährige Bernard Haitink hat gestern Abschied genommen von seinem Leben als Dirigent. 65 Jahre lang stand er am Pult, war lange Chefdirigent des Amsterdamer Concertgebouw Orchestra und des London Philharmonic Orchestra.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bernard Haitinks letztes Konzert

Abschied eines großen Dirigenten

Insbesondere mit seinen Bruckner- und Mahlerinterpretationen hat Bernard Haitink Maßstäbe gesetzt. Und mit Bruckners 7. Sinfonie hat Haitink dann auch seine Dirigentenlaufbahn beendet, und zwar beim Lucerne Festival, am Pult der Wiener Philharmoniker. Einige Konzertbesucher können ihr Glück kaum fassen, dass sie Karten bekommen haben – denn als bekannt wurde, dass Bernard Haitink an diesem 6. September beim Lucerne Festival seine Dirigentenlaufbahn beendet, war das Konzert restlos ausverkauft. Aus ganz Europa sind Festivalbesucher extra angereist, um den Maestro noch ein letztes Mal zu erleben.

Man sieht, dass er ein alter Mann ist, aber wenn er auf dem Podium ist, dann passiert das fast Unmögliche.
Konzertbesucher in Luzern

Bernard Haitink – immer ganz im Dienste der Musik

Mit leisen, unaufdringlichen Tönen beginnt der Konzertabend im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum. Emanuel Ax spielt Beethovens 4. Klavierkonzert, begleitet vom warmen Klang der Wiener Philharmoniker. Bernhard Haitink balanciert das Orchester gekonnt aus, mit präzisen, aber sparsamen Gesten. Dabei ganz versteckt hinter dem aufgeklappten Konzertflügel. Ganz im Dienste der Musik, keine unnötigen Bewegungen, keine Schnörkel.

So bescheiden und dabei so groß zu sein, das ist eine seltene Kombination.
Michael Bladerer, Kontrabassist der Wiener Philharmoniker

Eine musikalische Sternstunde

Bernard Haitink | Bildquelle: Todd Rosenberg Bildquelle: Todd Rosenberg Vorsorglich hat man Haitink ein Notenpult hingestellt, aber das braucht er längst nicht mehr. Bruckners Musik hat er verinnerlicht. Nur hinsetzen muss er sich ab und zu, um Kraft zu sparen. Immerhin dauert die Sinfonie 70 Minuten. Haitink baut atemberaubende Crescendi, dann wieder zarte, schwärmerische Momente und gibt dabei jeder Orchesterstimme Raum. Für Geiger Daniel Froschauer eine musikalische Sternstunde: "Das war ein riesen Erlebnis mit dem Haitink. Er hat das Orchester gefordert auf Äußerste. Es ist bei ihm, jede Sekunde passiert bei ihm große Musik, großes Drama, ich hab das Gefühl, heute weiß ich wieder, warum ich Musiker geworden bin. Und nicht nur ich, ich spür das durch unser ganzes Orchester: Das sind diese Erlebnisse, die wir nicht vergessen werden. Da werden wir in 50 Jahren noch drüber reden."

Minutenlange Ovationen

Nach dem Schlussakkord hält es das Publikum nicht auf den Stühlen. Minute um Minute tosender Applaus. Haitink, sichtlich erschöpft, bedankt sich bei den Wiener Philharmonikern, nickt dem Publikum zu und geht, gestützt von seiner Frau, von der Bühne. Bitte keine Blumen oder eine Ansprache, das hatte Haitink im Vorfeld gewünscht. Beim Künstlerempfang im Foyer des KKL kam der sichtlich müde Dirigent dann doch nicht umhin, ein paar Worte zu sagen und sich beim Festival und den Musikern zu bedanken.

Und auch wenn Bernard Haitink nach nun 65 Jahren offiziell Abschied nimmt vom Dirigieren: Die Wiener Philharmoniker geben die Hoffnung nicht ganz auf, dass der Maestro vielleicht doch noch mal ans Pult zurückkehrt – und wenn vielleicht spontan als Einspringer …

Konzertmitschnitte

    AV-Player