BR-KLASSIK

Inhalt

Münchner Erstaufführung Bernsteins "Candide" am Gärtnerplatztheater

Gesungen wird auf Englisch, gesprochen wird auf Deutsch, damit der Witz in Leonard Bernsteins "Candide" seine Wirkung erzielt. Der britische Regisseur Adam Cooper hat die Operette jetzt in der Münchner Reithalle in Szene gesetzt. Am 17. Dezember war Premiere.

Nazide Aylin als Paquette, Erwin Belakowitsch als Maximilian | Bildquelle: Thomas Dashuber

Bildquelle: Thomas Dashuber

Candide, das Musical der Herren Voltaire und Bernstein, ist das einzige seiner Art, dessen genaue Inhaltsangabe – rasch vorgetragen – ebenso lange dauert wie das Musical selbst.
Vicco von Bülow, 'Loriots kleiner Opernführer'

Leonard Bernsteins "Candide" ist ein in jederlei Hinsicht außergewöhnliches Stück Musiktheater. Ein Glanzstück des gehobenen musikalischen Unterhaltungstheaters, gewiss, jedoch zugleich eine intellektuelle und personelle Herausforderung an jede Bühne, die sich daransetzt, diese wilde Achterbahnfahrt quer durch alle Gattungsstile auf ihren Spielplan zu setzen. Aber auch für jedes Publikum, dass sich darauf einlässt, der abenteuerlichen Reise des namensstiftenden Protagonisten rund um den gesamten Erdball zu folgen, stets auf der Suche nach der besten aller Welten, dabei das Gegenteil erlebend und immer seiner Cunegonde hörig.

Die Zuschauer sind Teil der Inszenierung

Der britische Regisseur Adam Cooper arbeitet nach seiner Inszenierung der "Gefährlichen Liebschaften" im Cuvillies-Theater nun zum zweiten Mal für das Gärtnerplatztheater. Für ihn bietet die Reithalle den perfekten Raum für die schnellen Ortswechsel in diesem verrückten Stück "Candide": von Westfalen nach Spanien, Südamerika oder plötzlich nach Venedig. Froh, hier kein traditionelles Theater mit Seitenlogen zu haben, verzichtet Cooper auch auf eine Guckkastenbühne. Kreiert hat er einen offenen Raum, das Publikum sitzt an drei Seiten an der Bühne und die Darsteller spielen zu allen drei Seiten hin. Für die Zuschauer entsteht so das Gefühl, Teil der Inszenierung zu sein. Vor zwei Jahren hat Cooper "Candide" in London in einer sehr viel kleineren Besetzung choreographiert, jetzt inszeniert er das Stück erstmals selbst.

Candide ist so bunt und aktuell wie zur Zeit ihrer Entstehung. Wir reden auch heute über Naturkatastrophen, Politik und Religion.
Regisseur Adam Cooper

Cooper strebte daher eine zeitlose Inszenierung an. Er schätzt die Ironie, die Satire und den Humor des Stücks. Vor allem aber fasziniert ihn Bernsteins Musik. Die wird Marco Comin dirigieren, der Chefdirigent des Gärtnerplatztheaters. Er führt "Candide" zum ersten Mal auf.

Der Anspruch an Candide ist anderer Natur als bei Operetten, die man in Europa kennt oder aufführt.
Marco Comin, Chefdirigent des Gärtnerplatztheaters

Das sei vielleicht auch der Grund, warum Candide eher konzertant aufgeführt werde. "Außer der Schwierigkeit für den Regissseur, dieses Stück überhaupt auf die Bühne zu bringen, gibt es wirklich musikalische Aspekte, die man besser kontrollieren kann, wenn man sich nur auf die Musik konzentriert", so Comin. Vor allem die Rhythmen sind sehr anspruchsvoll. Es gibt zahlreiche Verschiebungen, bei denen Chor, Orchester und Solisten super zusammen reagieren müssen. Eine weitere Schwierigkeit: Marco Comin samt Orchester sind durch einen bedruckten Gazevorhang vom Bühnengeschehen getrennt und sehen die Sänger nur über Monitore.

München-Debüt für Sänger Gideon Poppe

Mit der Titelpartie des Candide gibt Gideon Poppe nicht nur sein Rollen-, sondern auch sein München-Debüt. Der gebürtige Hamburger gehört fest zum Ensemble der Deutschen Oper Berlin und wurde extra für diese Produktion ausgeliehen. Das Stück verlangt nach gut ausgebildeten Opernstimmen. Der populärste Gesangstitel "Glitter and be Gay" bleibt zwar dem Koloratursopran vorbehalten, aber es gibt auch für Candide genügend Herausforderungen. Gideon Poppes Lieblingsstück ist die letzte Arie des Candide. "Sie geht einem selber auch zu Herzen, wenn man sie singt. Das ist das Highlight, das dann wirklich auch zum Schluss kommt."

    AV-Player