Böse – oder vielmehr kulinarische – Zungen behaupten, das Beste an den Bregenzer Festspielen sei die Küche im Gasthof Hirschen in Schwarzenberg im Bregenzer Wald. Oder der Auftritt von James Bond, der bei einer Verfolgungsjagd das halbe Festspielhaus zerlegt hat. Aber zu Recht weltberühmt sind die Bregenzer Festspiele wegen ihrer ungewöhnlichen, spektakulären Opernaufführungen am Bodensee.
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Die Bregenzer Festspiele können – und das ist das Schöne daran – volkstümlich UND elegant. Sollten Sie sich für die Festspiel-Lounge entscheiden, werden Sie mit einem reservierten Parkplatz, einem Aperitif mit Fingerfood, einer Führung mit Blick hinter die Kulissen und einem Dinner mit Blick auf die Seebühne belohnt. Ein Leica-Leihfernglas und überdachte gepolsterte Sitze gibt's obendrein – und einen Farewell-Drink zum Ausklang. Für 370 Euro – Sonntag bis Donnerstag. Am Freitag und Samstag wird's unwesentlich mehr.
"Rigoletto" feierte 2019 auf der Bregenzer Seebühne Premiere. | Bildquelle: picture alliance/APA/picturedesk.com Die große Mehrheit des allabendlich 7000-köpfigen Seebühnen-Publikums definiert einen gelungenen Opernabend allerdings nach anderen Kriterien. Für sie muss alles praktisch sein: die Schuhe bequem, die Jacken warm und das Regencape wasserdicht. Man sollte immer damit rechnen, dass das Wetterleuchten am Horizont, das man erst als grandios gelungenen Regieeinfall bewundert, im Laufe des Abends bedrohlich näherkommt und das Gewitter-Quartett im letzten Akt von Giuseppe Verdis "Rigoletto" gruselig authentisch macht.
Akustisch bietet Bregenz seit Jahrzehnten Außergewöhnliches. Das Orchester spielt aus dem Off, die Sänger und Sängerinnen werden verstärkt – doch da scheppert und klirrt nichts, und da verschwindet auch kein Ton in dumpfen Untiefen.
Spektakulär Jahr für Jahr die Bühnenbilder: riesenhaft und gleichzeitig bespielbar müssen sie sein – und die See- zur Seh-Bühne machen. Und das Publikum trotz großer Distanz packen, reinziehen ins Geschehen. Das ist große Kunst, wenn es gelingt. Und es gelingt oft.
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1946 - ein Jahr nach Kriegsende: Die Bregenzer Festwoche startet mit Mozarts "Bastien und Bastienne". Das Bühnenbild stand auf zwei Kieskähnen. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele
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Die Operette "Gasparone" war typisch für die Anfangszeit: leichte Werke für die Ohren und ganze Dörfer auf der Bühne, die hier Max Röthlisberger gestaltete. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele
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Mit dem "Vogelhändler" 1952 (Bühne: Ferry Windberger) entfernte sich das Bühnenbild von naturalistisch nachempfundenen Welten. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele
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Mit Mozarts Zauberflöte wurde auf der Seebühne 1985 eine neue Ära eingeleitet: zukünftig wurde das Spiel auf dem See zwei Sommer lang gespielt. Das Bühnenbild von Michel Lebois stand erstmals für zwei Jahre. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Und wieder in eine Felsenlandschaft versetzte Michel Lebois 1991 Bizets "Carmen". | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Die Bühne für "Nabucco" 1993/94 gestaltete Stefanos Lazaridis. An die 300.000 Zuschauer kamen, um die Produktion zu erleben: Rekord! | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Und Stefanos Lazaridis machte weiter: 1995 mit der Bühne für Beethovens "Fidelio". | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Für Gershwins "Porgy & Bess" 1997/98, die abermals erfolgreichste Produktion in der Geschichte der Bregenzer Festspiele, lieferte Hans Schavernoch das Bühnenbild. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Für die Jahrtausendwende-Inszenierung von Verdis "Maskenball" übernahm das Duo Richard Jones und Antony McDonald Regie und Bühne: riesige Objekte wurden ihre Markenzeichen. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Benno Hagleitner
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So stand auch 2001/02 ein gigantischer Spieltisch im Mittelpunkt von der Bühne zu Puccinis "La Bohème". Regie und Bühne wieder Richard Jones und Antony McDonald. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Zum Abschied von 20 Jahren Intendanz von Alfred Wopmann zeigte das Festival Leonard Bernsteins "West Side Story" – das Bühnenbild kam von George Tsypin. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Radikal war 2005 die Vision von Paul Steinberg: Er baute für die Handlung von Verdis "Il Trovatore" statt mittelalterlichen Mauern eine Ölraffinerie. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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Mit einem alles dominierendem Auge wurde das Bühnenbild zu Puccinis "Tosca" 2008 sogar für den Film interessant: In der James Bond-Verfilmung "Ein Quantum Trost" klettert 007 alias Daniel Craig im Bühnenbild von Johannes Leiacker herum. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Benno Hagleitner
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Details der Freiheitsstatue und große Füße dominierten in Paul Browns Bühnenbild zu Verdis "Aida" die Szenerie. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/anderart
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Zu Publikumslieblingen entwickelten sich 2013 die rund 30 Meter hohen Drachenhunde von Johan Engels - die dazugehörende Oper war Mozarts "Zauberflöte". | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
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Vor einem 27 Meter hohen Stück gewaltiger Chinesischer Mauer und zwischen Terrakotta-Kriegern spielte 2015 Puccinis "Turandot". Inszenierung und Bühne: Arturo Marelli. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Karl Forster
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2017 erobert endlich ein Frau das Bühnenbild in Bregenz: die Britin Es Devlin holt für die neue "Carmen"-Inszenierung zwei riesige Hände auf die Seebühne. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
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Für den "Rigoletto" 2019 entwarf ein Regisseur erneut auch das Bühnenbild: Philipp Stölzl stellte einen riesigen, tonnenschweren Kopf mitten auf die Bühne, der aufgerichtet und abgesenkt werden kann. Corona-bedingt kommt die "Rigoletto"-Bühne 2021 erneut zum Einsatz. | Bildquelle: Bregenzer Festspiele/Anja Köhler
Das Bühnenbild zu "Tosca" bei den Bregenzer Festspielen | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bregenz ist faszinierendes Illusionstheater. Macht aus dem letzten Akt der "Tosca" eine beklemmende Einsamkeitsstudie. Und aus "Porgy and Bess" eine quietschbunte, hinreißend choreographierte Tanz- und Musikrevue, bei der immer wieder Polizeiautos über die Bühne rasen und scheinbar im Nichts verschwinden. Und wenn Carmen am Schluss von Don José nicht erstochen, sondern ertränkt wird und minutenlang kopfunter im Bodensee treibt, sind wir heilfroh, wenn wir sie beim Schlussapplaus wieder lächeln sehen. In diesem Jahr steht Puccinis "Madame Butterfly" auf dem Programm.
Und das ist nur die eine Seite der Bregenzer Festspiele. Die andere spielt sich im Festspielhaus ab – als traditioneller Opernbesuch, aber mit großartigen Entdeckungen: Wo ist schon mal Ernest Chaussons "Arthus"-Oper zu sehen? Oder "Die Passagierin" von Mieczysław Weinberg?
Nach der Vorstellung noch ein bisschen am Festspielhaus vorbeischlendern – auch um zu schauen, ob die Verwüstungen schon beseitigt sind, die Daniel Craig im Jahr 2008 bei seiner Verfolgungsjagd angerichtet hat. Siebeneinhalb Filmminuten ist das Festspielgelände umkämpfter Schauplatz im 22. Bond-Abenteuer "Ein Quantum Trost". Und am nächsten Tag dann - die Einkehr beim "Hirschen" oder anderswo… und mit Thomas Bernhard sagen: "Wir sollten immer daran denken, dass es auch noch etwas anderes auf der Welt gibt als die Gewöhnlichkeit."
21. Juli, 19.30 Uhr: "Siberia" von Umberto Giordano live aus dem Festspielhaus
13. August, 18.05 Uhr: Wiener Symphoniker bei den Bregenzer Festspielen