Wegen ihrer Nähe zu Vladimir Putin ist Anna Netrebko für viele derzeit ein rotes Tuch. Serge Dorny, der Intendant der Bayerischen Staatsoper, würde sie aber gerne wieder in München singen lassen. Im BR-KLASSIK-Interview betonte er, die Türen des Hauses seien für Netrebko keineswegs verschlossen. Allerdings wünsche sich Dorny dafür eine klarere Haltung von der Starsopranistin.
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"Die Tür ist absolut nicht verschlossen", erklärt Serge Dorny gegenüber BR-KLASSIK. Für Dorny geht jetzt die erste Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper zu Ende. Als Intendant hat er ein verantwortungsvolle Aufgabe, die mitunter auch unangenehme Entscheidungen erfordert - wie im Fall Anna Netrebko. Derzeit taucht sie im Spielplan der Bayerischen Staatsoper noch nicht wieder auf. Jetzt aber signalisierte Serge Dorny gegenüber BR-KLASSIK, dass er sich künftig wieder eine Zusammenarbeit mit der Starsopranistin vorstellen könne.
Die Tür ist absolut nicht verschlossen.
Serge Dorny ist ein großer Fan von Netrebkos Stimme. Eine Wiederaufnahem der Zusammenarbeit hält er nicht für ausgeschlossen. | Bildquelle: picture alliance/dpa | Peter Kneffel Serge Dorny betonte im Interview, er sei ein großer Fan von Anna Netrebko und ihrer Kunst. Zugleich bedauerte er die "Undeutlichkeit", mit der sich Anna Netrebko in den letzten Monaten von Vladimir Putin distanziert habe. "Das hat mich nicht in die Lage versetzt, sie jetzt im Programm zu behalten", so Dorny. Er betonte den Aspekt der Verantwortlichkeit. Gerade in so tragischen Zeiten sei man besonders verpflichtet. "Aussprachen können unglaublich verletzen. Sie können unglaublich stören", sagte Dorny. Es sei wichtig, Dinge mal ganz klar zu äußern. Jetzt sei es aber an der Zeit, die Sache zu drehen und zu versuchen, wieder neu anzufangen - auch mit Anna Netrebko. "Für mich ist die Tür absolut nicht verschlossen."
Bereits im vergangenen Mai hatte Serge Dorny gegenüber BR-KLASSIK erklärt, russische Künstlern seien grundsätzlich an der Bayerischen Staatsoper willkommen. Man dürfe nicht ein ganzes Volk stigmatisieren. Problematisch sei es allerdings, wenn ein Künstler oder eine Künstlerin bei Putins Propaganda mitgewirkt hätte. Deshalb tauche Anna Netrebko auf dem neuen Spielplan auch noch nicht auf.
Als Putin-Anhängerin geriet Anna Netrebko beim Ausbruch des Ukraine-Kriegs zunehmend in die Kritik. Mehrere Opernhäuser und Konzertveranstalter hatten Auftritte mit Netrebko gestrichen. Auch die Sopranistin selbst hatte ihrerseits viele Engagements abgesagt. Ende März hatte sich die Starsopranistin dann in einem offiziellen Statement von Putin distanziert. Im April feierte sie in Monte Carlo ihr Comeback auf der Opernbühne.
Netrebkos Haltung war jedoch nicht so klar, wie sich das mancher gewünscht hätten. Viele ihrer Posts in den sozialen Medien waren widersprüchlich. Die New Yorker Metropolitan Opera hält an ihrem Auftrittsverbot fest, andere Häuser entscheiden sich für Netrebko: Am 22. Juli ist ein Auftritt mit ihr bei den Thurn und Taxis Schlossfestspielen in Regensburg geplant. Neben ihren Engagements in der Arena von Verona und in Madrid stehen im Sommer unter anderem Auftritte in Köln, Stuttgart und Hamburg an. In ihrem Heimatland machte sich Netrebko erst vor wenigen Tagen unbeliebt. Sie löste einen Shitstorm aus, als sie nach einem Auftritt in Verona betrunken ihre russischsprachigen Fans als "verdammte Drecksäcke" beschimpfte.
Sendung: "Allegro" am 14. Juli 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK.
Kommentare (4)
Montag, 18.Juli, 17:18 Uhr
Else Herbst
Anna Netrebko
All die selbsternannten Moralisten werden nicht gezwungen, Anna Netrebko zu hören. Andere, die dies wollen, sollen daran gehindert werden. Diese Demütigung von Künstlern, sich wie in Schauprozessen öffentlich zu entschuldigen, empfinde ich langsam stalinistisch...
Sonntag, 17.Juli, 13:09 Uhr
Eusebius
Kultur, besinn Dich auf Deine Werte!
Eine Sängerin, die Kultur unters Volk bringen will ( hier sollte es in erster Linie nicht um „Bling-bling“ gehen), sollte/ muss gerade bei einem solch barbarischen Krieg auf der richtigen Seite stehen! Hier geht es gar nicht um Politik, hier geht es um selbstverständliche Werte! Sie hat sich mit entsetzlichen Separatisten im Vorfeld gemein gemacht. Es gibt daraus nur einen Ausweg: Entschuldigung, Fehler eingestehen, Krieg aus voller Überzeugung anklagen. Ansonsten hat sie mit dieser Vorgeschichte künstlerisch keine Berechtigung- oder man verkauft die kulturelle Seele eben dem Mammon! Unsere Bling-bling- Kulturgänger haben anscheinend kein Problem damit..,Schönster Belcanto, Greultaten ausgeblendet… so einfach ist die Welt in der Kultur eben nicht gestrickt (hoffentlich)!
Donnerstag, 14.Juli, 14:55 Uhr
Manfred Seibl
Hart bleiben, Herr Dorny!
Von mir aus bracht die Netrebko nicht wieder nach München kommen ... Solche Opportunist*innen sollen ruhig spüren, daß man auch als "Starsopranistin" gewisse soziale Kompetenz an den Tag legen muss. Und nicht nur Spitzgagen einstreichen.
Donnerstag, 14.Juli, 08:42 Uhr
Fred Keller
KOMMT SIE ZURÜCK AN DIE BAYERISCHE STAATSOPER?
Also wäre ich Anna Netrebko oder deren Management, so würde ich vorweg München und die restlichen Städte vorweg auf entfallene Gagen klagen, denn es gibt in keinem Vertrag eine Rausschmeissklausel! .- Gilt auch für den Dirigenten Gergiew.
Mit besten Grüßen Fred Keller