Seit diesem Jahr ist der italienische Dirigent Enrique Mazzola Conductor in Residence bei den Bregenzer Festspielen und steht bei gleich zwei Opern am Pult: "Ernani" von Verdi und "Madame Butterfly" von Pucchini. Zeit zum Planschen im Bodensee hat er deshalb noch keine gefunden.
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Interview mit Enrique Mazzola zum Anhören
BR-KLASSIK: Herr Mazzola, Conductor in Residence bei den Bregenzer Festspielen ist ein Titel, der für Sie geschaffen wurde. Was ist das genau?
Enrique Mazzola: Ein Conductor in Residence ist ein Musiker, der für einen bestimmten Zeitraum an einem Ort arbeitet. Ich freue mich, dass ich das für drei Sommer bei den Bregenzer Festspielen sein darf. Aber das ist keine Position, bei der es um Macht geht. Oder darum, Entscheidungen zu treffen. Es geht vielmehr um Kontinuität, um Präsenz und um eine Partnerschaft. Ich bin schon ziemlich stolz auf diese Sommer-Residenz, weil das ziemlich einzigartig ist – also überhaupt in Europa ein Dirigent in Residence zu sein.
Ich bin schon ziemlich stolz auf diese Sommer-Residenz.
BR-KLASSIK: Im Sommer in Bregenz – springen Sie da vor oder nach der Probe in den Bodensee?
Enrique Mazzola: Um ehrlich zu sein: Dieser Sommer hat mir bisher gar keine Chance gegeben, in den See zu springen. Ich dirigiere gleich zwei Produktionen: "Ernani" und "Madame Butterfly". Seitdem ich hier bin, also seit dem 16. Juni, war ich immer am Proben – von 10 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. Vielleicht habe ich mehr Zeit, wenn die Aufführungen laufen.
BR-KLASSIK: Jetzt steht die Premiere von "Ernani" an. Die Verdi-Oper basiert auf einem Text des französischen Autoren Victor Hugo. Es geht um Macht, Liebe und vor allem um Rache. Ein Frühwerk von Verdi, das eher selten gespielt wird. Können Sie sich erklären warum?
Enrique Mazzola: "Ernani" war mehr oder weniger die berühmteste Verdi-Oper bevor "Il trovatore" erschien. "Ernani" wurde überall aufgeführt und war bis dahin Verdis beste Oper. Er war aber auch Perfektionist und wurde mit jeder Oper immer besser. Seine drei zentralen Opern "Il trovatore", "La traviata" und "Rigoletto" haben alle Opern, die er davor geschrieben hatte, in den Schatten gestellt. Es ein guter Moment, "Ernani" jetzt wieder auf die Bühne zu bringen. Was sie wissen müssen: Letzten September habe ich die Opernsaison in Chicago mit "Ernani“ eröffnet. Und in diesem Werk spüren Sie diese ganze Energie des, ich glaube, 31-jährigen Verdi. Und der hatte damals die Ambition, ins Pantheon der italienischen Komponisten aufzusteigen. Dafür hat er alles gegeben.
Es ein guter Moment, 'Ernani' jetzt wieder auf die Bühne zu bringen.
BR-KLASSIK: Was macht denn den frühen Verdi aus, im Gegensatz zum späten? Wofür steht der junge Verdi?
Enrique Mazzola: Er begann seine Reise damit, den puren Belcanto von Bellini zu lernen, auch vom späten Donizetti. Verdi war da sehr aufmerksam. Das Geheimnis seines Erfolgs ist, dass er Schritt für Schritt die Regeln des Belcanto brach und in eine Richtung ging zwischen Sprechen und Singen. Das nennt sich "Drama parlato". Das macht seine Reise in die Welt der romantischen Oper so außergewöhnlich – und ich würde auch sagen: einzigartig.
BR-KLASSIK sendet einen Mitschnitt der Verdi-Oper "Ernani" aus Bregenz im Rahmen des ARD-Radiofestivals: Am Samstag, 12. August 2023, ab 20:03 Uhr.
BR-KLASSIK: "Ernani" wird im Bregenzer Festspielhaus gespielt. Finden Sie das schade? Würden Sie dieses Stück gern auf der Seebühne spielen?
Enrique Mazzola: Das ist eine schöne Frage, weil auf der Seebühne würde ich gerne so viele Opern dirigieren. Das Ding ist: Eine Neuproduktion auf der Seebühne ist aufwendig und kompliziert. Deshalb wird eine Oper dort dann immer für ein paar Jahre gespielt. "Ernani" hätte bestimmt ein anderes Schicksal verdient, aber sehen wir es doch mal so: Wir haben "Ernani" in Chicago auf die Bühne gebracht und jetzt hier in Bregenz. Vielleicht folgen andere Opernhäuser unserem Beispiel.
Sendung: "Allegro" am 19. Juli 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK