Ganz viel Verdi, dazu Puccini, Bernstein und Buzzi-Pecchia: Tenor Charles Castronovo und das Münchner Rundfunkorchester feiern Silvester mit einer beschwingten Opern-Gala im Herkulessaal. In München habe er noch nie aufs Neue Jahr angestoßen, so Castronovo im BR-KLASSIK-Interview. Der gebürtige New Yorker freut sich aufs Münchner Bier und blickt dem kommenden Jahr mit Spannung entgegen. Denn passend zum Puccini-Jahr erscheint am 5. Januar ein neues Album mit Liedern des Komponisten, die er mit dem Münchner Rundfunkorchester aufgenommen hat. "Puccini - I canti" so der Titel.
Bildquelle: Katerina Goode
BR-KLASSIK: Silvester ist ein ganz besonderer Abend. Sie sind dieses Jahr nicht zu Hause, nicht im Kreise Ihrer Familie, sondern hier in München. Was ist Ihnen wichtig für Silvester?
Charles Castronovo: Nun, in meiner Familie gab es nie die Tradition, groß Silvester zu feiern, aber ich mag die Vorstellung, eine neue Chance im neuen Jahr zu haben und die Gelegenheit, vielleicht so manches aufzuräumen. Ich glaube, es ist gut, sich neu zu fokussieren. Für mich geht es an Silvester darum, zurückzuschauen, mich auf das Neue zu konzentrieren und meine Energie dafür zu sammeln. Schließlich werden wir heutzutage ziemlich leicht abgelenkt. Ich finde es auch wichtig, mir klarzumachen, wofür ich dankbar sein kann. Das mache ich ohne Spiritualität, aber doch mit Bewusstsein. Meine Theorie ist übrigens, dass ich niemals den Gipfel erreichen werde. Das ist zwar durchaus mein Ziel, aber käme ich dorthin, könnte ich nur oben stehen und runter schauen- oder absteigen. Die Vorstellung, dass dieser Gipfel unerreichbar ist, spornt mich an, mich zu verbessern. So gehe ich persönlich die Dinge an.
Dieses Konzert hat mittlerweile Tradition: Im Herkulessaal der Münchner Residenz findet am Nachmittag des Silvestertags alle zwei Jahre eine Opern-Gala des Münchner Rundfunkorchesters statt. Dieses Jahr singt Tenor Castronovo auf der Bühne. BR-KLASSIK ist live dabei – ab 15.30 Uhr im Radio und als Video-Livestream.
BR-KLASSIK: Gibt es eine Tradition im Hause Castronovo, was man am Silvesterabend gemeinsam oder auch alleine isst oder trinkt?
Charles Castronovo: Da ich viel herumreise, hatte ich Silvesterabende an den unterschiedlichsten Orten. Mal war ich im Kreis der Familie, mal unter Freunden. Ich klammere mich nicht an bestimmte Rituale. Ich versuche, mich da wohlzufühlen, wo ich gerade bin, inmitten der Traditionen, die mich umgeben. Das ermöglicht mir die unterschiedlichsten Erfahrungen: Ich war in Australien, einmal in Japan, und jetzt bin ich sehr gespannt auf München, denn hier habe ich noch nie Silvester gefeiert. Ich freue mich sehr! Ein Bier und dazu eine Wurst, das passt wunderbar für mich. Meinetwegen auch ein Döner am späteren Abend.
Für mich geht es an Silvester darum, zurückzuschauen und mich auf das Neue zu konzentrieren.
BR-KLASSIK: Aber wenn sie die Wahl haben, ist es eher der Schnee, oder die Palmen, die Sie bevorzugen um diese Jahreszeit?
Charles Castronovo: Ich finde, Winter sollte Winter sein. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens in Kalifornien gelebt, und das Wetter ist wunderbar. Aber wissen Sie, ich mag auch sehr gerne Herbst und Winter. Darum wähle ich zu Silvester den Schnee. Für mich geht es an Silvester darum, zurückzuschauen, mich auf das Neue zu konzentrieren und meine Energie dafür zu sammeln.
BR-KLASSIK: Haben Sie eigentlich besondere Tipps für das Publikum für diesen heutigen Abend, sich mit dem Programm auseinanderzusetzen, denn da sind ein paar spezielle Nummern dabei?
Charles Castronovo: Ich bin total gespannt auf die Veröffentlichung unseres Puccini-Albums Anfang des kommenden Jahres. Es wird ein großes Puccini Jahr.
Puccini - I canti. Orchestral Works & Songs. Charles Castronovo mit dem Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von Ivan Repušić.
Tenor Charles Castronovo bei einem Konzert mit dem Münchner Rundfunkorchester. | Bildquelle: BR/Florian Lang (BR) Wir präsentieren Ausschnitte aus dem Album, und zwar Lieder, die er eigentlich als Klavierlieder komponiert hat. Der Münchner Komponist Johannes Schachtner hat sie orchestriert. Sie sind hochinteressant, denn sie zeigen Puccini in seinen jüngeren Jahren, wie er erstmals diese herrlichen Melodien schafft, die er später in seinen Opern verwendet hat. Die kommen einem irgendwie bekannt vor, und es ist echter Puccini: immer voller Emotionen, immer bezaubernd und wunderschön. Dieser Mann konnte einfach nicht anders schreiben. Neben diesen Liedern werde ich auch ein paar Opernarien singen, und im zweiten Teil wird es dann ein bisschen "leichter". Ich singe Stücke, die auch Mario Lanza gerne gesungen hat, wie beispielsweise eine Nummer aus "The Student Prince". Tatsächlich ist es überhaupt nicht leicht zu singen, insofern habe ich es mir selbst nicht leicht gemacht. Aber diese Musik ist so eingängig und nostalgisch, und das finde ich absolut passend für den Silvesterabend.
BR-KLASSIK: Noch einmal zu dem Puccini: Auf dem Cover des neuen Albums "I Canti" sind Sie auch sehr nostalgisch zu sehen. Sind Sie ein nostalgischer Mensch, oder ist es vor allen Dingen der Puccini, der das in Ihnen auch hervorruft?
Charles Castronovo: Ich bin ein absoluter Nostalgiker, und dieses Cover geht tatsächlich auf meine Kappe. Ich musste alle davon überzeugen, das so zu versuchen. Die Fotos von mir als Puccini-Double haben ihnen dann tatsächlich gefallen. Glücklicherweise sehe ich ihm richtig ähnlich, ich habe mir den Bart genauso stehen lassen, wie er und dann die alten Fotos von ihm nachgestellt. Ich stehe voll und ganz hinter dem Endergebnis, denn da steckt unheimlich viel von mir drin. Zum Glück bin ich in diesem Beruf gelandet, denn ich liebe es, mich im Stil vergangener Epochen zu kostümieren. Das passt viel besser zu mir als Jeans und T-Shirt. Ehrlich gesagt, hätte ich sehr gern Zeit mit Giacomo verbracht. Das wäre sensationell gewesen. Er mochte schnelle Autos, die zur damaligen Zeit allerdings ziemlich langsam waren nach heutigen Maßstäben. Man kannte ihn als hoffnungsloser Romantiker, und ich hätte echt gerne einmal mit ihm zu Abend gegessen. Ich war in seinem Haus in Lucca und spüre eine wirklich sehr enge Verbindung zu ihm.
Ich liebe es, mich im Stil vergangener Epochen zu kostümieren.
BR-KLASSIK: Nächstes Jahr werden Sie auch ihren ersten Cavaradossi in "Tosca" hier an der Bayerischen Staatsoper singen, ist die Rolle ebenfalls perfekt für Ihre Stimme?
Charles Castronovo verkleidet als Puccini für die neue CD mit dem Münchner Rundfunkorchester, die im Januar 2024 erscheint. | Bildquelle: (C) Vincent Lecart Charles Castronovo: Ich hoffe es. Ich habe hier an der Bayerischen Staatsoper einige wirklich wichtige Debüts gegeben, und ich bin meine Karriere ja immer schön langsam, Schritt für Schritt angegangen. Jetzt bin ich bereit für diese Rolle, und ich habe ausreichend Probenzeit in dieser Neuproduktion. Natürlich ist es eine der wichtigsten italienischen Tenorpartien, aber ich habe mir von Kollegen sagen lassen, dass sie weniger schwierig ist als andere, weil sie relativ kurz ist. In "Ernani" mit dem Münchner Rundfunkorchester beispielsweise habe ich viel mehr zu singen gehabt. Cavaradossi hat ungefähr 22 Minuten zu singen, aber was er singt, ist einfach überirdisch. Man kennt fast jede Note davon, insofern ist es eine Herausforderung. Ich hoffe, dass diese Rolle ein weiterer Pfeiler in meinem Repertoire wird.
Sendung: "Silvester-Gala" am 31. Dezember 2023 ab 15.30 Uhr auf BR-KLASSIK
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