Im November vergangenen Jahres ist Daniel Barenboim 80 Jahre alt geworden. Cecilia Bartoli nutzte am 29. Mai die Salzburger Pfingstfestspiele um ihrem langjährigen Freund mit einem Galaprogramm zu gratulieren. Mit dabei waren Lang Lang, Martha Argerich, Rolando Villazon, Placido Domingo und Sonya Yoncheva. Ein echtes Star-Aufgebot. Doch eine richtige Gala ist der Abend nicht geworden.
Bildquelle: Monika Rittershaus
Standing Ovations gibt es schon bevor der erste Ton erklungen ist. Zubin Mehta kommt auf die Bühne. Dafür steht das Publikum im Großen Festspielhaus in Salzburg das erste Mal auf. Doch das Programm, das Cecilia Bartoli hier für Daniel Barenboim zum 80. Geburtstag gestaltet hat, wird das Publikum noch oft aus den Sitzen holen. Immer wieder. Beinahe jeder Moment ist rührend, ist besonders, ist außergewöhnlichen in diesem so speziellen Konzert.
Man eröffnet mit Beethovens Leonoren-Ouvertüre: ein durchsichtiger, aber einnehmend warmer Orchesterklang. Eher langsam, eher bedacht, aber mit vielen schönen Einzelstimmen. Dieses Prinzip zieht sich durch den Abend, auch als die Stars dazu kommen. Zuerst Lang Lang mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 3: nähmaschinenschnelle Läufe, zitternde Triolen und ein etwas lackierter Gesamtklang. Das ist erst der Anfang. Rolando Villazon folgt mit der dunklen Arie Lenskys aus Tschaikowskys "Eugen Onegin". Sonya Yoncheva singt die Cio-Cio-San aus der "Madama Butterfly". Es schließt Placido Domingo mit dem Monolog des Gérard aus Umberto Giordanos "Andrea Chénier". Prominent besetzt, aber inhaltlich ganz schön düster.
Dann ändert sich der Abend noch einmal komplett. Die zweite Hälfte ist mit einem Mozart-Schwerpunkt nicht nur harmonisch ein bisschen freundlicher. Als Zubin Mehta vor der Figaro-Ouvertüre einen jungen Dirigenten ankündigt, dessen Namen ihm leider gerade nicht mehr einfalle, glaubt man nur ganz kurz an die Vergesslichkeit. Plötzlich taucht in stillem Triumph Daniel Barenboim auf der Bühne auf, eingehakt bei Cecilia Bartoli. Dass das Publikum dazu aufsteht, ist selbstverständlich. Dass Barenboim aber dann selbst zum Pult geht, überrascht. Denn der sichtlich angeschlagene Musiker hatte doch in jüngster Zeit Konzerte immer wieder wegen seiner gesundheitlichen Probleme abgesagt. Jetzt aber dirigiert er.
Erst dirigiert Daniel Barenboim den Figaro, dann Cecilia Bartoli mit der Arie des Sesto aus "La Clemenza di Tito" und schließlich ein Rondo für Klavier und Sopran von Mozart. Barenboim spielt Klavier und dirigiert dazu. Danach dirigiert er noch einmal – Schumanns Klavierkonzert. Am Klavier sitzt Martha Argerich. Dass das Publikum wieder steht, ist selbsterklärend. Zusammen mit Martha Argerich spielt er eine Zugabe. Und dann hört er noch einmal auf der Bühne stehend zu, während Cecilia Bartoli ihm ein Geburtstagsständchen singt.
Als Dirigent feierte er ebenso rauschende Erfolge wie als Pianist. Im November 2022 ist Daniel Barenboim 80 Jahre alt geworden. Lesen Sie hier unser Porträt zum Geburtstag.
Musikalische Weggefährten: Daniel Barenboim und Martha Argerich | Bildquelle: picture-alliance/dpa Eine etwas aus dem Ruder gelaufene Gala also. Keine Gustostückchen und wenig Schaulaufen, sondern viel mehr eine Handvoll Menschen, die sich in einem Musikerleben begegnet sind und diese Freundschaften samt der Freude an der Musik auf die Bühne bringen. Stars, die gealtert sind und voneinander gelernt haben. "Es ist sehr schwierig für mich heute. So viele Emotionen. So viele Jahre. So viele unglaubliche Freunde", fasst Daniel Barenboim den Abend für sich zusammen.
Es ist auch ein bisschen traurig, ein kleiner Hauch des Abschieds weht mit. Vielleicht hat in diesem musikalischen Potpourri Barenboims so überraschender Auftakt am Pult mit Mozart am besten gepasst. Denn dessen Sprünge zwischen Leichtigkeit und Lebensschwere, dessen unmerkliche Übergänge von Freude in Melancholie, das ist Barenboim. Dieser schwankt an diesem Abend sichtlich zwischen Witzchen reißen und tiefer Rührung.
Sendung: "Allegro" am 30. Mai 2023 um 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Freitag, 02.Juni, 11:30 Uhr
Shahla Mauch Deyhim
29/5/23 hommage pour Barenboim
Ein einmaliges Konzert voll vom Emotion und Überraschung.
Ein historische Abend mit prachtvollen Künstlern.
Danke vielmals.
Dienstag, 30.Mai, 16:46 Uhr
Altes Dorfkind
Ein Abend mit Freunden
Das dieser fantastische Abend mit Freunden in der Wahrnehmung der Autorin keine Gala war, ist möglicherweise eine exklusive Würdigung. Aber auch das gehört zur Kunst.
Für die einen war es ein großartiger Abend mit Musikern, die das Publikum im Saal berührt und begeistert haben. Für die Fachkräfte des ÖRR, deren Freikarte mit dieser Rezension legitimiert ist, fehlte offensichtlich das gewisse Extra, das für eine Gala unabdingbar ist.
Ein Hoch auf die Vielfalt, ein Hoch auf den Diskurs bei der Würdigung der Zusammenstellung, und vor allem ein Hoch auf Daniel Barenboim und seine Freunde.
Danke für diesen langen, großartigen und emotionsgeladenen Abend, den ich sicher nicht vergessen werde.