Nachdem im Sommer 2018 Missbrauchsvorwürfe gegen Daniele Gatti bekannt geworden sind, hat das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam seinen Chefdirigenten fristlos entlassen. Nun erklärt das Orchester, sich mit Daniele Gatti geeinigt zu haben. Zu den Vorwürfen, die damals von mehreren Frauen erhoben wurden, wird jedoch nicht Stellung bezogen.
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Der Friedensschluss kommt recht unerwartet. Das Concertgebouw Orchester Amsterdam hat sich mit seinem ehemaligen Chefdirigenten Daniele Gatti insofern geeinigt, als das Kapitel nun "abgeschlossen" sei, hieß es in einer kurzen Presseerklärung am 23. April. Stattdessen wolle man in die Zukunft blicken. Klar, mit der Zusammenarbeit ist es vorbei. Aber offensichtlich soll auch den Missbrauchsvorwürfen nicht weiter nachgegangen werden. Geht das so einfach?
Im vergangenen Sommer hat das Concertgebouw-Orchester seinen Chefdirigenten Daniele Gatti fristlos entlassen, nachdem Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs gegen ihn bekannt geworden waren. Sowohl in der "Washington Post" als auch aus dem eigenen Orchester hatten sich betroffene Musikerinnen zu Wort gemeldet. Gatti reagierte auf die Vorwürfe in der "Washington Post", indem er sich für ein mögliches Fehlverhalten entschuldigte. Er betonte, seiner Überzeugung nach sei alles in gegenseitigem Einvernehmen geschehen. Die Vorwürfe aus den Reihen des Concertgebouw-Orchesters wies er entschieden zurück, außerdem drohte er mit rechtlichen Schritten.
Ob an den Vorwürfen was dran ist, bleibt nach wie vor ungeklärt. Viele Orchester, die Gatti als Gastdirigent engagiert hatten, ließen die Verträge bestehen. Im Dezember 2018 machte das Opernhaus Rom Gatti sogar zu seinem neuen Musikchef. Zeitgleich meldete sich Gatti allerdings krank. Seine Dirigate von Verdis "Otello" bei den Berliner Philharmonikern übernahm Zubin Mehta.
In der Pressemeldung am Dienstag gab das Royal Concertgebouw Orchestra nun bekannt, man trenne sich "einvernehmlich" nach "konstruktiver Diskussion". Man danke Gatti für die künstlerische Leitung in seiner Zeit als Chefdirigent und wünsche ihm sowohl beruflich als auch persönlich alles Gute. Gatti sei für das Orchester "wichtig" im Hinblick auf dessen künstlerischen Nachlass. Als Zeichen der Anerkennung will das Orchester drei bisher unveröffentlichte CDs herausgeben mit Aufnahmen, die Gatti geleitet hat: Richard Strauss' "Salome", Mahlers Symphonie Nr. 1 und Bruckners Symphonie Nr. 9. Auf die Missbrauchsvorwürfen ging das Orchester in Pressemeldung allerdings nicht ein.
Sendung: "Allegro" am 24. April 2019 um 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK