Vor einem Jahr hat Russland die Ukraine angegriffen. Damals sprach BR-KLASSIK mit der jungen ukrainischen Geigerin Elisabeth Zaitseva. Nun berichtet sie, wie es ihr und ihrer Familie im ersten Kriegsjahr ergangen ist.
Bildquelle: Elza Zherebchuk
Ein Jahr Krieg in der Ukraine
Eine ukrainische Musikerfamilie in Deutschland
"Post Scriptum" heißt eine Sonate für Violine und Klavier des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov. Geigerin Elisabeth Zaitseva, die aus Kiew stammt, spielte sie in ihrem Studienabschlusskonzert an der Musikhochschule in Nürnberg. Damit hat sie das Interesse einer Kommilitonin aus Japan geweckt. So eine schöne Sonate, habe die Kommilitonin gesagt. "Das freut mich einerseits", sagt Elisabeth Zaitseva. "Andererseits wäre es schön, wenn die Welt ukrainische Kultur ohne Krieg entdecken würde", fügt sie hinzu.
Unsere Mission ist zu zeigen, dass die Ukraine ihre eigene Identität, ihre eigene Kultur, ihre eigene wunderschöne klassische Musik hat.
Elisabeth Zaitseva | Bildquelle: Jakob Bak Elisabeth Zaitzeva lebt schon seit siebeneinhalb Jahren in Nürnberg. Als Russland die Ukraine vor einem Jahr angriff, waren ihre Eltern allerdings in Kiew, sie sind Teil des Kyiv Symphony Orchestra. Vor einem Jahr traf BR-KLASSIK die Familie, die berichtete, wie die Musik für sie zur Überlebenstrategie wurde. Einige Wochen nach Kriegsbeginn organisierte Elisabeths Vater Oleksandr Zaitsev, der das Kyiv Symphony Orchestra leitet, eine Tournee in Deutschland. Inzwischen hat es seinen vorläufigen Sitz in Gera in Thüringen, berichtet Oleksandr Zaitsev. Die Musiker des Orchesters und ihre Familien hätten nun eine Unterkunft, und das Orchester einen Saal für Proben. "Dies gab uns die Gelegenheit, unsere Mission als kultureller Botschafter der Ukraine fortzusetzen, nämlich die Werke ukrainischer Komponisten der Weltöffentlichkeit zu präsentieren, die sonst im Ausland leider kaum bekannt waren", erklärt Oleksandr Zaitsev. "Unsere Mission ist zu zeigen, dass die Ukraine ihre eigene Identität, ihre eigene Kultur, ihre eigene wunderschöne klassische Musik hat."
Auch wenn viele Ukrainerinnen und Ukrainer in ganz Europa verteilt sind – Musik, Kunst und Kultur halten sie zusammen. Und das sei auch wichtig für diejenigen, die in den Kriegsgebieten geblieben sind, sagt Elisabeth Zaitseva. Auch einige ihrer ukrainischen Freunde aus dem Musikinternat sind inzwischen an der Front. Für sie persönlich ist Musik ein ganz besonderes Mittel, um dem Krieg etwas entgegenzusetzen: "Es sind so viele Gefühle, die man mit Worten nicht äußern kann. Aber ich habe Glück gehabt: Ich kann mit der feinsten Sprache sprechen. Deswegen sind alle Konzerte sehr emotional."
Zerstörter Vorort von Kiew: Butscha in Trümmern | Bildquelle: dpa/Bildfunk Bei ihrem Studienabschlusskonzert spielt Elisabeth Zaitseva auch Musik von John Williams aus Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste". Die Geigerin widmet das Stück an diesem Abend einer Bekannten im Publikum, die aus Butscha stammt. Dem Ort, in dem russische Soldaten furchtbare Gräuel an Zivilisten begangen haben. Bald wird sie ihr Studium beendet haben. So spielt Elisabeth Zaitseva inzwischen in ganz Deutschland für Orchesterstellen vor. Sie weiß nicht, was in einem halben Jahr sein wird, sagt die 25-Jährige. Aber das sei auch nicht so schlimm. "Es ist alles relativ nach dem, was wir erlebt haben. Aber es ist auch befreiend, man lebt in dem Moment. Und man weiß: Ok, heute lebe ich, ich weiß nicht, was morgen ist, wo die Bomben fallen ... Aber wir leben im Jetzt, wir genießen die Sonne, ich spiele mein Instrument. Das schützt auch und das ist gut so."
Sendung: "Allegro" am 24. Februar 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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