Am 23. Juli gibt Franco Fagioli sein Debüt an der Bayerischen Staatsoper in Georg Friedrich Händels "Agrippina". Dessen Musik liebt der argentinische Countertenor schön seit langem. Kein Wunder: Händel hat nicht nur wunderschöne Arien geschrieben, sondern auch eine emotionale Tiefe in seine Opernfiguren hineinkomponiert wie kaum ein anderer im Barock. BR-KLASSIK hat er verraten, woher seine Leidenschaft für Händel kommt.
Bildquelle: © Stephan Boehme
Ich habe die Musik von Georg Friedrich Händel erst so richtig in meinem Gesangsstudium in Argentinien lieben gelernt. Davor habe ich Klavier gespielt, aber eher Werke von Bach als von Händel. Trotzdem war ich schon damals beeindruckt von der Orchestrierung in seinen Stücken, ganz besonders bei den Orgelkonzerten. Wie er die Stimmen für die einzelnen Instrumente schreibt und ihre Klangfarben einsetzt, ist einfach unglaublich.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
G.F. HÄNDEL: Organ Concerto in A major HWV 296, La Divina Armonia
Eine der ersten Arien, die ich von Händel gesungen habe, war "Cara sposa, amante cara" aus "Rinaldo". Diese Arie ist für mich mit einem großartigen Moment in meinem Leben verbunden, denn ich habe mich mit ihr für mein Gesangsstudium in Buenos Aires beworben. Auch bei meinen ersten Wettbewerben habe ich das Stück gesungen. Für mich ist das also eine sehr emotionale Arie. Sie ist fast wie eine Fuge, in der sich mein Gesang ganz harmonisch in die verschiedenen Instrumentalstimmen einfügt.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Handel: Rinaldo, HWV 7a / Act 1 - "Cara sposa, amante cara"
Als Opernsänger habe ich mich natürlich vor allem mit den italienischen Opern Händels intensiv beschäftigt. Ich betrachte sein Schaffen aus dieser Perspektive. Er ist ja extra nach Italien gezogen, um sich von anderen Komponisten der damaligen Zeit etwas abzuschauen und sich von ihnen inspirieren zu lassen. Händel hat sich die spannendsten Elemente herausgesucht und daraus seinen ganz eigenen Stil entwickelt. Es sind diese Offenheit und der tiefe Wunsch, etwas Neues zu lernen, was ich so toll daran finde. Das hat Händel letztlich zu dem Genie gemacht, dessen Musik wir heute so sehr mögen.
Händel war der Andrew Llyod Webber der Barockzeit.
Zu manchen Stücken von Händel habe ich ein gespaltenes Verhältnis, denn sie werden oft außerhalb des eigentlichen Kontexts gesungen. Es ist die kommerzielle Art, Händel zu interpretieren, könnte man sagen. Die Arie "Ombra mai fu" ist dafür ein Beispiel. Die wahre Dimension des Stücks entfaltet sich erst, wenn man die Oper kennt, aus der die Arie stammt - also den "Xerxes" kennt oder im Ganzen sieht. Die Arie folgt direkt auf die Ouvertüre und gibt dem Zuhörer schon sehr früh viel über Xerxes‘ Charakter preis. Der König singt über die Schatten der Bäume – das ist oberflächlich betrachtet ziemlich banal. Aber wenn man genau hinsieht, stimmt das gar nicht, denn sie hat so viele metaphorische Ebenen. Die Melodie ist so erhaben und himmlisch und gibt Einblicke in die Seele eines Tyrannen. Diese Tiefe findet man häufig in Händels Opern. Das macht sie für mich so stark.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Franco Fagioli - Ombra mai fu
Bildquelle: Julian Laidig Wenn wir schauen, woraus ein Popsong besteht, stellen wir fest, dass es im Grunde genau die gleichen Elemente sind, wie sie Händel schon verwendet hat: Es gibt den Bass, eine Harmonie, eine Melodie und den Rhythmus. Die Unterschiede zwischen seiner Barockmusik und Pop sind gar nicht so groß. Manchmal mache ich gern den Vergleich, dass Händel der Andrew Llyod Webber der Barockzeit war. Es ging damals eben auch schon darum, dass die Leute unterhalten werden. Deshalb ist Händels Musik für mich auch nicht veraltet, sondern sehr neu und frisch. Ich möchte die heutigen Komponisten nicht mit Händel vergleichen, aber die Prinzipien sind noch die gleichen. Wenn wir das sehen, dann können wir die Musik von Händel ganz neu betrachten.
Am 23. Juli 2019 wird Franco Fagioli sein Hausdebüt an der Bayerischen Staatsoper geben. Im Rahmen der Münchner Opernfestspiele wird er die Partie des Nero in Georg Friedrich Händels "Agrippina" singen.
Mehr Informationen auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.