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Opern-Steckbrief - Händels "Agrippina" House of Cards im Römischen Reich

Vor 13 Jahren verschwanden Opern von Georg Friedrich Händel weitgehend vom Spielplan der Bayerischen Staatsoper. Regisseur Barrie Kosky inszeniert nun "Agrippina" im Rahmen der Münchner Opernfestspiele. Gemeinsam mit dem Dirigenten Ivor Bolton und dem Countertenor Franco Fagioli haucht er dem Werk voller Intrigen und beißender Satire neues Leben ein.

Händels Oper "Agrippina" bei den Münchner Opernfestspielen 2019 | Bildquelle: © Wilfried Hösl

Bildquelle: © Wilfried Hösl

Weihnachten 1709 gab es für den jungen Georg Friedrich Händel eine besondere Bescherung: Mit der Premiere von "Agrippina" in Venedig am 26. Dezember feierte er seinen bis dahin größten Erfolg – mit gerade einmal 24 Jahren. Es war seine zweite italienische Oper, und sie wurde unzählige Male in Venedig aufgeführt, später auch in Neapel und sogar in Hamburg. Erstaunlich, dass die "Agrippina" trotz dieses Sensationserfolgs bis Mitte des 20. Jahrhunderts in Vergessenheit geraten war.

Die Handlung: Mit zeitlosem Biss

An der Handlung kann es zweifelsfrei nicht liegen: Betrug, Verrat und Machtmissbrauch sind zeitlose Themen. Sie waren am römischen Kaiserhof ebenso brisant wie heute. Das Libretto von Vincenzo Grimani trieft nur so vor beißender Satire und politischen Anspielungen. Zwar zielten Grimani und Händel zur Zeit der Entstehung mit ihrem Spott und Sarkasmus eher in Richtung des päpstlichen Hofs, aber die Handlung lässt sich durchaus auf andere politische Schauplätze übertragen.

Die Rollen: Irrungen und Intrigen

Elsa Benoit (Poppea) und Gianluca Buratto (Claudio) | Bildquelle: © Wilfried Hösl Elsa Benoit (Poppea) und Gianluca Buratto (Claudio) | Bildquelle: © Wilfried Hösl Agrippina erweist sich schon zu Beginn der Oper als intrigante Titelheldin. Kaum erfährt sie vom angeblichen Tod ihres Gatten, dem Kaiser Claudio, mischt sie die Karten im römischen Machtpoker neu. Agrippinas Ass im Ärmel: Sohn Nero, den sie um jeden Preis als Thronnachfolger in Stellung bringen will. Es spinnt sich ein Netz aus perfiden Beziehungen und trügerischem Wohlwollen. Doch vor Arglist und Niedertracht ist niemand gefeit – sie können hinter jeder Ecke auf die Protagonisten lauern. Eine brenzlige Situation für den Feldherrn Ottone, die edle Poppea und nicht zuletzt Nero, die in diesen Studel hineingezogen werden.

Die Musik: Psychologische Tiefenschärfe

Georg Friedrich Händel hat mit seinen 24 Jahren nicht nur musikalisches Können bewiesen, sondern auch sein Gespür für psychologische Tiefe. Seine Menschenkenntnis setzt er raffiniert ein. Besonders die Gesangspartien Neros (ursprünglich Soprankastrat) und Agrippinas (Sopran) sind hervorzuheben: Das Publikum erhält einen vielschichtigen Einblick in ihr Seelenleben, wie es vorher kaum einem Komponisten gelungen ist. Nicht zuletzt hierin liegt wohl auch der Grund für den damaligen Erfolg von Händels "Agrippina".

Die Stars des Abends: Vertraut und doch neu

Alice Coote (Agrippina) und Franco Fagioli (Nerone) | Bildquelle: © Wilfried Hösl Alice Coote (Agrippina) und Franco Fagioli (Nerone) | Bildquelle: © Wilfried Hösl Die Rolle des Nero in der Münchner Inszenierung singt der Countertenor Franco Fagioli, der gerade erst eine CD mit Händel-Arien veröffentlicht hat. Zwar ist er mit den Werken des Komponisten bestens vertraut, nicht aber mit der Bayerischen Staatsoper – für Fagioli ist es das Hausdebüt. Anders verhält es sich mit Alice Coote, die die Agrippina verkörpert. Die britische Sopranistin hat bereits vor zehn Jahren an der Bayerischen Staatsoper in Donizettis "Lucrezia Borgia" gesungen und stand seitdem immer mal wieder auf der Bühne des Nationaltheaters.

Am Pult: Ein Britischer Barockexperte

Als "alten Hasen" kann man hingegen Ivor Bolton bezeichnen. Der Experte für historisch informierte Aufführungspraxis ist nicht nur dem Haus seit 25 Jahren treu verbunden, sondern auch den Opern Georg Friedrich Händels. 1994 dirigierte er hier Händels "Giulio Cesare", in der Ära von Sir Peter Jonas, die bis 2006 regelmäßig aufgeführt wurde und wegen ihrer Progressivität bis heute Kultstatus genießt. In der Regiearbeit von Richard Jones sinkt auf offener Bühne ein Dinosaurier langsam zu Boden, was damals für lautstarke Reaktionen und hitzige Diskussionen im Publikum sorgte.

Auf der Bühne: Politthriller im Kastenformat

Der böse Blick: Alice Coote als intrigante Titelheldin Agrippina vor dem Metallcontainer. | Bildquelle: © Wilfried Hösl Der böse Blick: Alice Coote als intrigante Titelheldin Agrippina vor dem Metallcontainer. | Bildquelle: © Wilfried Hösl Große Fußstapfen sind es also, in die Regisseur Barrie Kosky tritt. Dass er das Münchner Publikum begeistern kann, hat er 2015 schon in Prokofjews "Der feurige Engel" unter Beweis gestellt. In der ersten Händel-Oper seit 13 Jahren an der Bayerischen Staatsoper legt er das Augenmerk vor allem auf das Spannungsfeld zwischen politischen Machtspielchen und der Komik des Werks. Kosky bedient sich dafür bei der Erfolgsserie "House of Cards" mit Schauspielerin Robin Wright. Er lehnt seine Agrippina an eine der Hauptfiguren an, nämlich an Claire Underwood, die unterkühlte, über Leichen gehende Präsidentengattin und später US-Präsidentin. Ein großer, metallischer Container in der Bühnenmitte bildet bei der Inszenierung den Dreh- und Angelpunkt - Symbol der Gefühlskälte der Figuren.

Mehr Informationen zu "Agrippina":

Premiere: Dienstag, 23. Juli 2019, 20:00 Uhr
München, Prinzregententheater

Georg Friedrich Händel:
"Agrippina", Dramma per musica in drei Akten

Musikalische Leitung: Ivor Bolton
Inszenierung: Barrie Kosky

Claudio: Gianluca Buratto
Agrippina: Alice Coote
Nerone: Franco Fagioli
Poppea: Elsa Benoit
Ottone: Iestyn Davies
Pallante: Andrea Mastroni
Narciso: Eric Jurenas
Lesbo: Markus Suihkonen
Bayerisches Staatsorchester


Mehr Informationen gibt es auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.

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