Zwei Leidenschaften vereinte Otto Manasse in sich. Als Chemiker meldete er ein erfolgreiches Patent an, als Komponist lernte der Münchner bei Max Reger. Dass all das heute vergessen ist, gehört mit zum grausamen Erbe der Nazis, die Manasse als alten Mann noch deportierten und ermordeten. Ein Blick auf seinen Namen, seine Musik und sein Leben.
Bildquelle: BR / Khy Kesor
Es war eine trügerische Sicherheit. 1939 setzte sich Paul Graener, Vorsitzender der Reichsmusikkammer, für den damals schon 80-jährigen Otto Manasse ein. "M. ist Schüler von Max Reger, trat schon in seiner Jugend, nachdem er die Bach'sche Choralmusik kennengelernt hatte, zum evangelischen Glauben über. Schrieb eine große Reihe kirchenmusikalischer Kompositionen, die oft in einer Münchner Kirche durch den Organisten Prof. Dr. Sagerer und andere Künstler zur Aufführung gebracht wurden", schrieb er in einem Brief an Hans Hinkel, Generalsekretär der Reichskulturkammer. Er bat darum, Manasse seine Wohnung in der Nikolaistraße in München doch zu lassen, die ihm gekündigt worden war. Er formulierte Respekt für einen alten, einsamen und kranken Mann. Gnade kannte der Terrorstaat der Nazis nicht. Manasse musste zunächst innerhalb Münchens umziehen, kam dann 1941 in ein Internierungslager und wurde am 23. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 27. November desselben Jahres starb er mit 81 Jahren.
Mit dem Projekttag unter dem Titel "Die Rückkehr der Namen" wird am 11. April in München an die Opfer des nationalsozialistischen Terros erinnert. Dafür stehen Patinnen und Paten aus den Opfergruppen, anderen Organisationen, der Münchner Zivilgesellschaft und der breiten Öffentlichkeit mit Gedenktafeln ab 15 Uhr an vielen Punkten der Innenstadt. Um 17 Uhr treffen sich alle Interessierten auf dem Münchner Königsplatz und ziehen dann auf dem "Weg der Erinnerung" durch das ehemalige "braune Viertel" zum Odeonsplatz. Dort wird eine Abschlussveranstaltung mit Interviews, Filmen, Musik und Performances stattfinden. "Die Rückkehr der Namen" ist ein Erinnerungs- und Demokratieprojekt des Bayerischen Rundfunks mit Unterstützung der Landeshauptstadt München. Mehr Informationen finden Sie hier
Otto Manasse 1938/39 | Bildquelle: © Stadtarchiv München Seiner musikalischen Karriere ging ein erfolgreiches Berufsleben in der Naturwissenschaft voraus. 1861 in Stettin geboren, studierte er in Zürich und Berlin Chemie. Nach der Promotion wechselte er nach München an die LMU. 1896 meldete er ein Patent für das Herstellungsverfahren von Oxycamphor an – wenig später wurde daraus Bakelit entwickelt, der erste industrielle Kunststoff. Während Manasse in seinem musikalischen Werk eher konservativ blieb, leitete seine chemische Erfindung das Zeitalter des Plastiks ein.
Sie werden etwas Gutes bekommen!
Sein Patent hatte vermutlich dazu geführt, dass Manasse finanziell so gestellt war, um sich seiner Liebe zur Musik widmen zu können. 1901 kam Max Reger nach München und lehrte bis 1907 an der Akademie für Tonkunst. In dieser Zeit wurde Manasse Privatschüler von Reger. 1906 empfahl Reger dem Verleger Otto Forberg zwei Klavierwerke von Otto Manasse: "Sie werden etwas Gutes bekommen!", versicherte der berühmte Lehrer. Manasse komponierte Orgelwerke, Lieder oder eine Suite für Cello und Klavier. Das meiste davon ist heute verschollen.
Mit dem Verschwinden dieser Kunst wirkt der Terror der Nazis auch ideell bis in die Gegenwart nach. Nur durch Zufall sind heute einige Werke Otto Manasses bekannt. Im Nachlass von Wolfgang Ruoff, Pianist und Professor an der Akademie für Tonkunst in München, fanden sich eine Büste und einige Notenhefte Manasses. Ruoffs Urenkelin, die Sängerin Anja-Maria Luidl, bringt Manasses Musik rund 80 Jahre nach seinem Tod wieder zum Klingen.
Sendung: Leporello am 11.04.2024 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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