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Zum 100. Geburtstag von Hugo Strasser "Swing-Heini" und Gentleman

Hugo Strasser lieferte die Musik für rauschende Bälle, Tanzturniere, Fernsehshows und tausende Konzerte. Mit seinen Kollegen Max Greger und Paul Kuhn gehörte er nach 2000 zu den "Swing-Legenden". Noch bis kurz vor seinem Tod im Jahr 2016 trat er auf – nach einer über sechzig Jahre umspannenden Karriere. Dieses Jahr wäre er hundert: Am 7. April 1922 wurde der Klarinettist und Bandleader in München geboren.

Hugo Strasser Jazzikone Klarinettist  | Bildquelle: picture-alliance/dpa/Jens Kalaene

Bildquelle: picture-alliance/dpa/Jens Kalaene

Er war ein Gentleman alter Schule. Das sah man, und das hörte man. Hugo Strasser, eine elegante Erscheinung mit rechtsgescheiteltem Silberhaar, auf der Bühne stets makellos gekleidet mit gut sitzendem Anzug und wahlweise Fliege oder geschmackvoll gemustertem Schlips, war ausgesucht höflich – und das auch hinter den Kulissen. Er pflegte das Understatement – und sprach von seiner Musik stets als "Unterhaltung", nie als "Kunst". Sein Ton passte zu ihm: Auf der Klarinette hatte Strasser eine klangschöne Eleganz entwickelt, die ihn bis in ganz späte Jahre mühelos durch das swingende Standard-Repertoire trug. Seine Töne hatten bis zuletzt eine lächelnde Leichtigkeit, schmiegten sich ins Ohr, ohne aber süßlich zu werden. Und: Sein Klang war stets nach bereits ganz wenigen Tönen identifizierbar – schon die Anfangstöne einer Melodie waren bei ihm wie leise einladende Gesten. Er sagte: "Ich bin mehr oder weniger Melodiker. Ich bin sehr von der Melodie getragen, und das ist auch meine Stärke."

Über 60 Jahre auf der Bühne

Klarinettist, Jazzlegende Hugo Strasser | Bildquelle: imago/scherf Hugo Strasser auf der Bühne. | Bildquelle: imago/scherf Diese Stärke pflegte der Münchner Musiker in einer über sechzig Jahre währenden Karriere. Bald nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er in der Münchner Nachkriegs-Szene als Klarinettist und Altsaxophonist bekannt, und mit seinem 1955 gegründeten Tanzorchester stand er bis kurz vor seinem Tod im März 2016 auf der Bühne. Auf etlichen Veranstaltungen der Ballsaison war er zu erleben, sein Orchester machte Musik für Fernsehshows, und noch im sogenannten Renten-Alter (1987) gründete er eine Jazzband, die er – nach dem Vorbild einer berühmten Chicagoer Pionier-Gruppe Louis Armstrongs – "Hot Five" nannte. Mit der "Hot Five" spielte er für eine Aufnahme des Bayerischen Rundfunks noch mit 91 Jahren in einem Jazzkeller: dem "Birdland" in Neuburg an der Donau, swingte gelassen durch Klassiker wie "On the sunny side of the street", "Lady be good" und "Petite fleur" – und erzählte zwischen den Stücken mit seiner hellen und markanten Stimme in mildem Münchner Tonfall augenzwinkernde, erfundene Geschichten. Auch die waren: alte Schule, aber durchweg charmant. Auch sie swingten. Und die Klarinettentöne ließen den Mann hinter dem Instrument verblüffend jugendlich wirken. Selbst in der stickigen Luft eines für ihn in den späten Jahren doch ungewohnten Jazz-Kellergewölbes setzte sich Hugo Strasser nur dann während des Konzerts auf einen Stuhl, wenn einer seiner Mitmusiker gerade ein besonders langes Solo spielte.

Die Geige, die Klarinette und das strahlende G

Hugo Strasser verkörperte eine lange musikalische Lebensgeschichte. Am 7. April 1922 wurde er in München als fünftes von sechs Kindern in kleinbürgerliche Verhältnisse hineingeboren. Sein Vater war musikbegeistert und ein guter Sänger. Alle Kinder spielten ein Instrument. Hugo bekam eine Geige "aufgebrummt", wie er sagte. Weil seine großen Geschwister schon ihr eigenes Geld verdienten, konnte Hugo Strassers Vater es sich leisten, ihm ein Musikstudium zu finanzieren. Beim Vorstellungsgespräch an der Akademie für Tonkunst kam es aber anders als gedacht: Professor Arnold, der Klarinettist der Bayerischen Staatsoper war, erkannte, dass der Teenager zum Bläser prädestiniert war: die Lippen, die Gesichtsmuskulatur, der Körperbau. Und als er Hugo Strasser einmal zur Probe in die Klarinette blasen ließ und gleich ein strahlendes G erscholl, war klar: das ist das Instrument! Und die Geige war passé.

Ich wollte die Klarinette nicht mit dem klassischen, geraden Ton spielen, sondern ich wollte vibrieren.
  Hugo Strasser

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Hugo Strasser und sein Orchester:Medley 1982 | Bildquelle: Egon Hilgers (via YouTube)

Hugo Strasser und sein Orchester:Medley 1982

Seine außerordentliche Begabung half Hugo Strasser, innerhalb von drei Jahren enorm schnell und viel zu lernen. Doch dann kam der Krieg, der 18-Jährige wurde nach Stettin beordert, und hatte das Glück, dort zum Dienst am Instrument verpflichtet zu werden. Sein Hauptmann brauchte eine Kapelle. Später dann wurde er nach Dortmund versetzt, die Musik fiel flach, doch als Ausbilder musst er nie an die Front. Paradoxerweise kam Hugo Strasser während der Kriegsjahre verhältnismäßig leicht an Schallplatten der von ihm verehrten amerikanischen Swing-Musiker. Über Paris lief ein florierender Handel.

Count Basie, Duke Ellington, Louis Armstrong oder Benny Goodman, das war für mich eine Initialzündung.
Hugo Strasser

Eine Freundschaft fürs Leben

Die Weichen waren gestellt. Als Hugo Strasser nach München zurückkam, waren Swing-Musiker heiß begehrt - vor allen Dingen in den amerikanischen Clubs. Die Auftritte waren sehr gut bezahlt, aber Hugo Strasser wollte auch gerne für die Zivilbevölkerung spielen. Das ermöglichte ihm der Saxophonist Max Greger, als er ihn in seine Band holte. Das war der Beginn einer Freundschaft fürs Leben.

1949 hat der Greger Max seine Band gegründet. Fünf Jahre war ich beim Max und das war eine sehr tolle Zeit.
Hugo Strasser

Sein eigenes Orchester gründete Hugo Strasser 1955. Der erste Einsatz war der Silvesterball im Deutschen Theater. Jeder Verein hatte damals seinen eigenen Ball, und schon im Jahr darauf spielte das Orchester 52 davon. Auch durch Auftritte beim Bayerischen Rundfunk wurde das Orchester schnell immens populär und zur ersten Adresse, wenn es um die musikalische Gestaltung von Tanzturnieren ging. Denn dieses Orchester hatte einen gelassen swingenden Klang, geschmeidig und schlank, und bei aller geschliffenen Perfektion nie mit einem Anflug von marschierendem Drill. Zum Tanzen war diese Musik gemacht, und sie selbst tanzte auch.

Ich habe wirklich unzählige Turniere gespielt. Wir waren das Tanzorchester Nummer eins.
Hugo Strasser

Von den Ballsälen war der Weg ins Fernsehen nicht weit. Die Münchner Lach- und Schießgesellschaft engagierte das Orchester für ihre Silvestersendung "Schimpf vor Zwölf". In den 70er-Jahren schworen die Showmaster - etwa auch Wim Thoelke und Lou van Burg - auf den hochmusikalischen, verlässlichen und nervenstarken Bandleader. In Peter Frankenfelds "Musik ist Trumpf" war Hugo Strassers ein Trumpf von Dauer.

Let's Swing

Nicht nur mit dem eigenen Orchester, sondern auch mit kleinen Besetzungen – wie von 1987 an mit der genannten "Hot Five" - war Hugo Strasser auf den internationalen Bühnen zuhause. Besonders großen Erfolg feierte er gemeinsam mit seinem Freund Max Greger und mit Paul Kuhn. Von  2005 an waren sie als "Swing Legenden" unterwegs. Mit Hits und Evergreens von "Mood Indigo" bis "Sentimental Journey" feierten sie die Musik, die sie seit ihrer Jugend liebten. Große Tourneen. Ausverkaufte Hallen. Begeistertes Publikum.

Das ist das Tollste an der Swingmusik: dass man die Möglichkeit hat, aus der Melodie auszusteigen und über die Harmonien zu improvisieren.
Hugo Strasser

Als "Swing-Heini" bezeichnete sich Hugo Strasser gerne. Und wenn er und seine Kollegen als Pioniere des Jazz gefeiert wurden, betonte er immer wieder, er sei einfach nur "ein Tanzmusiker". So wie in den folgenden Zeilen klang das wörtlich bei ihm am Rande seines Gastspiels im Neuburger Jazzclub 2013: "Ich sag immer von mir selber: I‘ bin a oider Swing-Heini. Der Swing is‘ ja eigentlich das wesentliche Element in dieser Musik. Meine ganze musikalische Karriere hat sich aufgebaut durch die Tanzmusik, die ich von Anfang an gemacht habe. Und die Tanzmusik swingt ja auch. Es is‘ ja ned so, dass man auf dieses Element verzichten könnte." Auch wenn man diese Sätze nur liest und nicht von Hugo Strasser gesprochen hört: Man spürt sofort den augenzwinkernden Ton eines Ernsthaften, aber nicht Bier-Ernsten.

Das Glück, ein Leben lang Musik zu machen

Wo auch immer man diesen Musiker verorten möchte: Mit seinen Tönen hat er viele Fans begeistert. Vielleicht ja auch deswegen, weil die Musik ihn selbst so besonders begeisterte – und das über viele Jahrzehnte hinweg. Im Interview im Funkhaus in München kurz vor seinem 90. Geburtstag erzählte Strasser mit leuchtenden Augen von den ersten Begegnungen mit der Swing-Musik – und von dem Glück, das er empfand, noch im hohen Alter diese Musik machen zu können. In Konzerten spürte man die nie versiegende Begeisterung für die Töne. Da klang nichts nach Routine – man spürte den Spaß am Immer-wieder-neu-Erleben auch altvertrauter Stücke.

Eine Improvisation ist immer Spontaneität, das ist nichts Geschriebenes, das kommt aus der Situation, aus dem Spielmoment heraus.
Hugo Strasser

Hugo Strasser starb am 17. März 2016 in München, er wurde anonym auf einem Friedhof in Kempten im Allgäu beigesetzt. Fast 94 Lebensjahre und eine Karriere, die über sechs Jahrzehnte umspannte: ein beeindruckender Weg eines Münchner Hausmeistersohns, der die Geige nicht sehr mochte und dann auf die Klarinette umschwenkte. Wenn man es ganz genau nimmt, dauerte seine Karriere sogar 85 Jahre. Denn bereits als siebenjähriger war Hugo Strasser im Radio zu hören, im Jahr 1929. Er spielte auf der Mundharmonika in der "Deutschen Stunde in Bayern", dem Vorläufer-Sender des Bayerischen Rundfunks, das "Großmütterchen". Den Swing entdeckte er nach eigenem Bekunden erst später; und doch ist nicht ganz auszuschließen, dass Hugo Strasser auch damals schon - aber ohne es zu wissen - swingte.

Sendungen auf BR-KLASSIK:

Donnerstag, 7. April:

Allegro, ab 6.05, Leporello, ab 16.05 Uhr: "Was heute geschah: Hugo Strasser wird geboren."

Jazztime: All that Jazz, ab 23.05 Uhr:
Der Gentleman mit der Klarinette: Zum 100. Geburtstag des Münchner Musikers Hugo Strasser, zusammen mit Pianist Paul Kuhn und Saxophonist Max Greger einst Teil der prominenten "Swing-Legenden". 2012, kurz vor seinem 90. Geburtstag, war Hugo Strasser als Studiogast bei BR-Klassik und erzählte von seiner ein halbes Jahrhundert umspannenden Karriere. Hugo Strasser starb im März 2016, drei Wochen vor seinem 94. Geburtstag. In dieser Jazztime hören Sie das fast ungekürzte Gespräch und Musik von Hugo Strasser in unterschiedlichen Besetzungen.

Mittwoch, 13. April:

Classic Sounds in Jazz, ab 19.05 Uhr:
Blue Differences: Mit Musik von Doris Day, Charles Mingus, Hugo Strasser und anderen.
Moderation und Auswahl: Roland Spiegel

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