Auch eine Premiere: Kristina Hammer startet in ihre erste Festspielsaison. Kein leichter Auftakt für die neue Präsidentin. Seit Monaten wird über das Kultursponsoring der Festspiele diskutiert. Und auch die Causa Currentzis wirft ihre Schatten. Dazu äußert sich Hammer jetzt ausführlich im Interview mit BR-KLASSIK.
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BR-KLASSIK: Frau Hammer, wann waren Sie denn zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen? Können Sie sich noch erinnern?
Kristina Hammer: Ich kann mich nicht mehr genau an das Jahr erinnern. Aber ich war schon als Kind bei den Festspielen. Erst mit meiner Großmutter, später dann mit meinen Eltern. Ganz am Anfang war ich im Marionettentheater und habe dort die "Zauberflöte" gehört. Mehrfach! [lacht] Der erste Opernbesuch kam dann später.
BR-KLASSIK: Und wie war's? War der Abend nicht ziemlich lang?
Kristina Hammer: Nein, wir haben damals "Carmen" gesehen – und die Zeit verging für mich wie im Flug!
BR-KLASSIK: Frau Hammer, als Präsidentin der Salzburger Festspiele sind Sie auch für die Sponsorengelder verantwortlich. Sie werden ja nur zu 25 Prozent vom Staat finanziert, ohne Sponsoring geht also gar nichts. Und Ihre Vorgängerin Helga Rabl-Stadler hat immer betont, wie wichtig es sei, dass es eine Präsidentin gebe, die, salopp gesagt, Klinken putzen geht. Ist das auch Ihr Job?
Kristina Hammer: Selbstverständlich. Da hat Helga Rabl-Stadler recht. Vielleicht hätte ich es ein wenig charmanter ausgedrückt. Aber Gelder zu finden – und zwar nicht nur Sponsoren, sondern auch Mäzene und Förderer – ist eine meiner zentralen Aufgaben. Und das macht mir auch Freude, weil Sie mit Menschen und Unternehmen in Berührung kommen, denen klassische Musik wirklich etwas bedeutet.
BR-KLASSIK: Von einem Sponsor haben sie sich vor wenigen Wochen getrennt: Solway, ein schweizerisches Bergbauunternehmen, dem in Guatemala Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Kristina Hammer: Wir haben im März von der Vorwürfen gegen das Unternehmen erfahren und haben uns natürlich sofort mit unserem damaligen Partner zusammengesetzt. Wir haben uns dann darauf verständigt, dass es wichtig ist, sowohl eine interne als auch eine externe Untersuchung durchzuführen – und sich die Ergebnisse dann gemeinsam anzuschauen. Und wir sind uns einig gewesen, dass das, was uns dann Ende Juni an Ergebnissen vorlag, nicht ausreichte, um die Vorwürfe auszuräumen. Der Vertrag wurde also einvernehmlich aufgelöst.
Bei uns kommt kein Sponsor auf die Idee, unsere Kunst zu beeinflussen.
BR-KLASSIK: Hätten Sie gedacht, dass es im Bereich Sponsoring auch so viele ethische Dinge zu berücksichtigen gibt?
Kristina Hammer: Es gibt ja eine gesellschaftspolitische Diskussion über dieses Thema, die sich in den letzten Monaten nochmal verstärkt hat. Und wir sind uns dessen bewusst. Dass Sponsoring auf einer klaren Faktenbasis, auf gemeinsamen Zielen und Vereinbarungen, auf nachvollziehbaren Grundsätzen beruht, ist eine Selbstverständlichkeit und wird bei uns seit jeher so gehandhabt.
BR-KLASSIK: Sie kommen aus Deutschland – dort gibt es ja ein anderes Finanzierungsmodell. Der Staat gibt den Löwenanteil und das Sponsoring dient lediglich der Ergänzung. Würden Sie sich das auch für die Salzburger Festspiele wünschen?
Kristina Hammer: Dass wir zu fast 50 Prozent von Ticketverkäufen abhängig sind, halte ich für etwas Gutes. Ich habe auch nichts gegen die bisherige Aufteilung des Budgets. Ich glaube, wir müssen nur mit Folgendem aufpassen: Sie sprachen ja vorhin von Ethik. Ethik als Maßstab im Sponsoring finde ich schwierig. Der Ethikkodex, so wie er in der Wissenschaft gilt, hat ja den Grund, dass man sich dort fragen muss, wer z.B. ein Interesse an bestimmten Studienergebnissen hat. Dann etwa, wenn die Geldgeber aus der Pharmazie kommen. Bei uns kommt dagegen kein Sponsor oder Mäzen auf die Idee, unsere Kunst beeinflussen zu wollen mit dem Geld, das sie uns zur Verfügung stellen. Von daher: Hier mit dem Ethikkodex zu kommen, finde ich etwas schwierig. Außerdem können wir ein Wirtschaftsunternehmen nicht durchleuchten oder schwarze Sponsoren-Listen führen. Das fände ich wirklich problematisch. Wenn man das wollte, dann müsste man das Finanzierungsmodell tatsächlich ändern.
Ethik als Maßstab im Sponsoring finde ich schwierig.
BR-KLASSIK: Andererseits hat es solche Beeinflussungsversuche doch durchaus gegeben. Beispielsweise an der Metropolitan Opera. Vielleicht sind Sie einfach in der komfortablen Lage, dass Sie mit Unternehmen arbeiten, die daran sowieso nicht interessiert wären?
Kristina Hammer: Mag sein, dass es das irgendwo gegeben hat. Bei uns jedenfalls nicht. Wir arbeiten mit Partnern zusammen, die höchst kunstverständig sind und trotzdem nicht auf die Idee kommen, irgendein Programm verändern zu wollen.
Dieses Interview ist ein Ausschnitt aus einem längeren Gespräch - zu hören am kommenden Samstag, den 23. Juli, ab 11:05 Uhr in der Sendung "Meine Musik".
BR-KLASSIK: Nicht nur das Thema Sponsoring ist in der Diskussion, auch der Krieg wirft seinen Schatten bis nach Salzburg. Es gibt Kritik an einem Ihrer wichtigsten Künstler: Teodor Currentzis. Ein großartiger Dirigent, als Musikhörer möchte ich persönlich auf keinen Fall auf ihn verzichten. Andererseits finde ich es doch sehr bedenklich, dass er sich nicht gegen Putin ausspricht – was er auch gar nicht kann, weil er von Geld abhängt, das aus staatsnahen russischen Quellen stammt. Bereitet Ihnen das Kopfschmerzen?
Umstritten: Dirigent Teodor Currentzis | Bildquelle: BR/Alexander Hellbrügge
Kristina Hammer: Erlauben Sie mir, dass ich nochmal auf den Gründungsgedanken der Salzburger Festspiele zurückkomme. Wir sind ein internationales Festival mit internationalen Gästen. Das bedeutet: Jemanden aufgrund seiner Nationalität auszuschließen, sei es ein Besucher oder ein Künstler, ist für uns undenkbar. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir diesen Krieg und seine Treiber ganz klar verurteilen. Und: dass auf unseren Bühnen niemand stehen wird und wir von niemandem Geld nehmen, der diesen Krieg aktiv unterstützt.
BR-KLASSIK: Aber Currentzis wird ja nicht wegen seiner Nationalität kritisiert, sondern wegen seiner Geldgeber.
Kristina Hammer: Teodor Currentzis hat sich unseres Wissens nie pro Putin geäußert oder für diesen Krieg. Darüber hinaus ist sein Orchester ein privates Orchester, kein staatliches. Und ein privates Orchester braucht finanzielle Unterstützung in dieser Größenordnung. In diesem Orchester sitzen außerdem nicht nur Russen, sondern auch Ukrainer, Israelis, Vertreter ganz verschiedener Nationen. Und kein einziges Mitglied ist aufgestanden und hat gesagt: Ich möchte hier nicht mehr mitspielen!
Wenn wir die Dinge beurteilen, sollten wir uns schon das ganze Bild ansehen.
Es stellt sich also die Frage: Verlangt man von so jemanden, dass er sich offen gegen den Krieg äußert? Ich halte das für eine sehr westliche Sicht. Wenn Sie in Russland leben und Sie nehmen das Wort "Krieg" in den Mund, dann kann es sein, dass Sie bis zu 15 Jahre ins Gefängnis müssen. Und dann kann es auch sein, dass das Folgen für Ihre Familie hat. Also müssen wir sehr vorsichtig sein, ob wir tatsächlich von jemandem, der ein Orchester in Russland hat mit ganz vielen Musikern, deren Familien in Russland leben, eine aktive Äußerung verlangen.
BR-KLASSIK: Das kann ich nachvollziehen. Aber jetzt tritt Currentzis ja zum Beispiel auch beim Sankt Petersburger Wirtschaftsforum auf. Das ist eine Veranstaltung, die durchaus einen propagandistischen Charakter hat ...
Kristina Hammer: Sie beziehen sich auf eine Meldung, die wir auch in einem Blog gelesen haben. Dort hieß es allerdings, hier sei Zwang im Spiel gewesen. Ich glaube, wir müssen in der Beurteilung dieser Situation sehr vorsichtig sein.
BR-KLASSIK: Sind Sie denn mit Teodor Currentzis über all diese Fragen im Gespräch?
Kristina Hammer: Selbstverständlich sind wir mit Teodor Currentzis im Gespräch. Und allen, die sich jetzt aufregen, will ich auch nochmal sagen: Teodor Currentzis hat sich in Wien darum bemüht, ein Benefizkonzert zugunsten der Ukraine zu spielen, was ich schon für ein sehr deutliches Zeichen halte. Das hat man ihm dann allerdings untersagt, weil der ukrainische Botschafter sich dagegen gewehrt hat. Ich möchte das gar nicht kommentieren. Ich sage nur: Wenn wir die Dinge beurteilen, sollten wir uns schon das ganze Bild ansehen.
Sendung: "Meine Musik" am 23. Juli ab 11:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 22.Juli, 11:48 Uhr
Julie
klangstab@wolke7.net
Diese Haltung finde ich gefährlich. Ich habe schon öfters erlebt, dass wir Musikerinnen und Musiker über bestimmte Dinge wie Belästigungen und Arbeitsbedingungen nicht öffentlich reden sollten, weil das schlecht für Fördergelder und Sponsorengelder ist. Wer das machte, war als Nestbeschmutzer weg vom Fenster.
Currentzis ist auch deshalb willkommen, weil er gut für die derzeitigen Sponsoren ist und das Publikum seine Genialität schätzt. Salzburg hatte auch kein Problem mit Domingo, das war auch ziemlich demonstrativ gegen #metoo. Das Publikum feiert solche Künstler. An die Opfer wird nicht gedacht.
Da muss man sich fragen: ist das Klassikpublikum, vor allem in der Hochpreiskategorie, so naiv und hedonistisch?
Man kann auch durchaus ein Benefizkonzert für ukrainische Flüchtlinge machen, aber Verständnis für den Angriffskrieg haben, Putin wäre ja auch froh, wenn alle Ukrainer im Ausland als Flüchtlinge untergebracht wäre und er die Ukraine mit Russen besetzen kann.