Erst letzte Woche wurde ein Konzert des russisch-griechischen Dirigenten Teodor Currentzis in Wien abgesagt. Der Grund: Currentzis hat bislang nicht klar gegen den Ukraine-Krieg Stellung bezogen. Außerdem wird sein Orchester MusicAeterna von einer russischen Bank finanziert, die auf der Sanktionsliste steht. Welche Auswirkungen das auf die Salzburger Festspiele haben könnte.
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Eigentlich soll der russisch-griechische Dirigent Teodor Currentzis mit dem MusicAeterna Chor bei den Salzburger Festspielen im kommenden Sommer auftreten. Doch der ukrainischen Botschafter in Österreich, Wassyl Chymynez, kritisiert die geplanten Produktionen. Im Interview mit der österreichischen Kronen Zeitung sagt er, es sei ein "inhumanes Signal", wenn Russland bei den Salzburger Festspielen eine solche Bühne bekommen würde. Erst in der vergangenen Woche hatte der Botschafter darum gebeten, bei Benefizkonzerten zugunsten der Ukraine keine russischen Künstlerinnen und Künstler zu involvieren. Das Wiener Konzerthaus hatte daraufhin ein geplantes Benefizkonzert mit Teodor Currentzis und MusicAeterna abgesagt.
Markus Hinterhäuser, der Intendant der Salzburger Festspiele, hält trotz der Kritik des ukrainischen Botschafters Wassyl Chymynez aktuell an Teodor Currentzis fest. Er wolle zu gegebenem Zeitpunkt reagieren, sagte Hinterhäuser gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Allerdings hatte er sich gleich nach Kriegsbeginn in der Ukraine zu einem generellen Ausschluss russischer Künstler und Künstlerinnen geäußert. "Es gibt unglaublich viele Künstler, die mit diesem Krieg wirklich gar nichts zu tun haben", sagte er im ORF2-Interview Anfang März. "Wir können nicht eine Generalsanktion erheben gegen russische Künstler, weil sie einen russischen Pass haben, weil sie dort geboren sind, weil sie dort aufgewachsen sind. Wo kommen wir da hin?"
Im März ließ Markus Hinterhäuser die Frage offen, ob Currentzis und MusicAeterna in Salzburg auftreten werden. Damals sagte er, man werde sich aufrichtig damit beschäftigen. Man müsse auch sehen, wie sich Currentzis selber in der Sache verhalten werde. Der schweigt bislang.
Es gibt unglaublich viele russische Künstler, die mit diesem Krieg wirklich gar nichts zu tun haben
Der ukrainische Botschafter Chymynez ist enttäuscht von den Verantwortlichen der Salzburger Festspiele. Kunst, Kultur und Sport seien wichtige Bestandteile der Politik Russlands und damit wichtige Elemente der Propaganda, sagt er. Und durch sein Schweigen sei Currentzis Teil davon. Wenn die Salzburger Festspiele das nicht verstünden, liefen die Verantwortlichen Gefahr, ihre Selbstachtung zu verlieren.
Eine Gesellschaft russischer Freunde unterstützt die Salzburger Festspiele seit 2013 finanziell. | Bildquelle: Luigi Caputo Hat Russland eventuell zu viel Einfluss auf die Salzburger Festspiele? Die Pressestelle der Festspiele gibt eine knappe, schriftliche Antwort: Man habe keine russischen Sponsoren, jedoch gebe es eine Gesellschaft der russischen Freunde der Salzburger Festspiele, die seit Jahren das Festival finanziell unterstützen. Doch Intendant Hinterhäuser mahnt im ORF2-Interview, einen kühlen Kopf zu bewahren. "Die Russen, mit denen wir diesen Freundesverein gegründet haben, kann ich nicht unter einen imaginären Scanner legen und einen Anti-Putin-Test abverlangen. Das wird nicht funktionieren." Gefragt sei jetzt Achtsamkeit.
Ist es gerechtfertigt, dass von russischen Künstlerinnen und Künstler eine eindeutige pro-ukrainische und anti-russische Haltung erwartet wird? Lesen Sie hier den Kommentar unserer BR-KLASSIK-Autorin Sylvia Schreiber.
Neben der Gesellschaft russischer Freunde arbeiten die Salzburger Festspiele außerdem mit der russischen VAC-Stiftung zusammen. Gründer der Stiftung ist der Oligarch Leonid Michelson, der außerdem als CEO des russischen Energieunternehmens Novatek tätig ist. Michelson selbst wird vom Westen sanktioniert. Zu ihm und seiner Stiftung äußert sich Intendant Markus Hinterhäuser in den Salzburger Nachrichten: Man werde das alles sehr genau prüfen und Konsequenzen daraus ziehen.
Kritik gibt es auch am Sponsor Solway, ein Bergbauunternehmen mit Sitz in der Schweiz. Laut der Investigativplattform Bellingcat hat Solway enge Verbindungen zum Kreml und verstößt gegen Menschenrechtsverletzungen. Und was die geplante Zusammenarbeit mit dem russischen Energieriesen Gazprom betrifft: Hier war 2020 eigentlich ein projektbezogenes Sponsoring geplant. Das fand allerdings wegen Corona nicht statt. Die Salzburger Festspiele haben den Vertrag nach eigenen Angaben gekündigt. Dagegen ist noch unklar, wie es mit der VAC-Stiftung und Currentzis weitergeht.
Anfang Mai hätten Teodor Currentzis und MusicAeterna in München und Paris konzertieren sollen. Doch nun haben sie ihr Rameau-Programm "The Sound of Light" abgesagt. "Aufgrund des Krieges in der Ukraine sowie den daraus resultierenden Reisebeschränkungen und großen logistischen Einschränkungen ist die Umsetzung dieses Projekts zum Bedauern aller Mitwirkenden nicht möglich", heißt es auf der Homepage des Ensembles. Derzeit befindet sich MusicAeterna in Russland und gibt Konzerte in St. Petersburg und Moskau.
Sendung: "Leporello" am 20. April 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (8)
Samstag, 23.April, 23:39 Uhr
Hella Feuster, 23.4.22
Gergiev, Netrebko, Currentzis ...
Was für eine Moral und widerliche Heuchelei. Vor kurzem noch hoch bejubelt trotz Kenntnis der Nähe zu Putin. Jetzt verlangt man den politischen Offenbarungseid.
Ich habe diese wunderbaren Künstler mehrfach in Baden Baden, München, Wien und Köln genossen. Dann muss ich wohl bald weiter reisen
Freitag, 22.April, 18:45 Uhr
Schenker-Reitz, Sigrid
Konzert Teodor Currentzis-Salzburger Festspiele
Herr Currentzis könnte wenigstens den russ. Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisieren , ablehnen oder missbilligen . Bisher ist von ihm keine kritische Stellungnahme artikuliert /ausgesprochen worden...Er muss ja nicht den Namen des 'Verursachers' nennen. Frau Netrebko hat sich inzwischen 'positioniert' ( BRAVO ! ). Herr T.C. möchte halt auf allen 'Hochzeiten tanzen' , Bühnen dirigieren und gute Honorare gezahlt bekommen.
Freitag, 22.April, 07:04 Uhr
Andrea Häufele
Darf Teodor Currentzis in Salzburg auftreten
Die Kunst muss frei bleiben. Teodor Currentzis hat anlässlich eines Labs im SWR zu Schostakowitsch Leningrader Sinfonie gesagt „in meinem Herzen wehen keine Flaggen“. So ist es und wir friedlichen Menschen sollten uns durch Ausgrenzung nicht noch mehr trennen. Kein Menschenleben wird dadurch gerettet und Putins Arm schafft es bis in unsere Tempel der Hochkultur. Völlig sinnlos.
Donnerstag, 21.April, 07:47 Uhr
paul-ludwig voelzing
salzburger festspiele
Es gibt unglaublich viele russische Künstler, die mit diesem Krieg wirklich gar nichts zu tun haben. Markus Hinterhäuser
ist herr hinterhäuser so naiv, oder tut er nur so? vielleicht hätte er besser gesagt: es gibt viele russische künstler, die mit dem krieg lieber nichts zu tun hätten!
und vor allem sollte sich herr hinterhäuser folgender worte enthalten wie "unglaublich", "wirklich" und dann im text "aufrichtig". und im übrigen bin ich der meinung, dass das sponsorenwesen in der kunst (und besonders im sport) ernsthaft überprüft werden muss!
Mittwoch, 20.April, 21:38 Uhr
Lena Müller
Wohltätigkeitskonzerte für "Binnenvertriebene"
Currentzis' musicAeterna ist in Russland nun beteiligt an Wohltätigkeitskonzerten für sog. "Binnenvertriebene" (nachzulesen auf der Telegram-Seite von musicAeterna), womit wohl nach Russland verschleppte UkrainerInnen gemeint sind.
Ich bin irritiert: Soll man das nun als sein lange erwartetes Statement betrachten, dass er die Ukraine nicht als eigenständiges Land anerkennt? Dient es einfach zur Gewissensberuhigung? Oder ist es schlicht so, dass er auf beiden Seiten der Grenze immer das tut, was die Menschen jeweils sehen und hören wollen?
Mittwoch, 20.April, 19:58 Uhr
Rebecca Sanders
Scheinheilige Solidarität
Für Kunst, Kultur und Künstler gilt eins: Man kann sich die Sponsoren im Allgemeinen nicht frei selbständig aussuchen. Gäbe es sie nicht, würde das kulturelle Leben deutlich ärmer aussehen.
Bislang waren alle glücklich und zufrieden über das prachtvolle Angebot im Bereich Kunst und Musik - doch nun echauffiert man sich aus (scheinheiliger) Solidarität heraus über Dinge, über die man sich bisher noch nie Gedanken gemacht hat.
Sämtliche russische Künstler oder Künstler mit Bezug zu Russland jetzt an den Pranger zu stellen, beendet weder den Krieg noch hilft es den Menschen in der Ukraine.
Dass ein Ensemble mit Sitz in Russland keine Benefizkonzerte als (stilles) Signal der Solidarität abhalten darf, ist doch einfach nur kindisch. Das "Propagandisten Putins" Argument ebenfalls. Jemand der in der Vergangenheit Konzerte von Currentzis und einem seiner Ensembles besucht hat, sollte sich zu diesen Zeiten besser nicht zu weit aus dem Fenster lehnen...
Mittwoch, 20.April, 19:21 Uhr
Regina Ernst
Russische Künstler
Ich finde es völlig gerechtfertigt, dass russische Künstler auftreten dürfen.Gerade wir Deutschen sollten doch Verständnis dafür haben, wir bejammern doch noch heute, dass man uns ständig unsere "Nazi-Vergangenheit" vorhält.
Für mich geht das jetzt in diese Richtung.
Freundliche Grüße
Regina Ernst
Mittwoch, 20.April, 17:08 Uhr
Robert Hutya
Auftritt Currentzis
Es gibt genug russische Künstler die mit Putin befreunderld sind!
z. Bsp. Currentzis