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Pianistin Sophie Pacini im Interview Die Musikwelt hat Schaden erlitten

In den Augen von Sophie Pacini hat die Musikbranche derzeit einen schwierigen Stand. Corona-bedingt beklagt die Pianistin einen "Streaming-Überfluss", zudem könnte künstliche Intelligenz die ganze Situation noch verschärfen. Und dennoch lässt sich die Musikerin auf ein Konzertexperiment mit einem KI-basierten selbstspielenden Flügel ein.

Die Pianistin Sophie Pacini | Bildquelle: Susanne Krauss

Bildquelle: Susanne Krauss

BR-KLASSIK: Frau Pacini, Sie haben sich gerade in der Corona Zeit immer wieder zu Wort gemeldet. Sie waren auch Beethoven-Botschafterin des BR. Und da haben Sie sich geäußert zur Streaming-Welt, zu Musikern in Jogginghosen zu Hause. Sie haben auch über die Stille philosophiert. Wenn Sie jetzt zwei, drei Jahre später Rückschau halten: Hat uns diese Stille denn gutgetan? Oder würden Sie heute sagen: Es ist alles wieder so wie vorher.

Sophie Pacini: Also letztendlich war ja gar nicht so viel Stille. Im Konzertsaal war zwar wenig los. Aber durch die Tatsache, dass einfach sehr viele meiner Kolleginnen und Kollegen auch irgendwo den Druck verspürt haben, präsent zu bleiben – gerade auch auf Social Media Musik zu teilen und das auch zum Nulltarif jederzeit. Das hat in der Tat ein bisschen meines Erachtens unserer Musikbranche einen Schaden zugefügt: Dadurch, dass wir im Konzertsaal nicht auftreten konnten, hat eine Verschiebung stattgefunden. Es fehlt die Bereitschaft, mal auch ein Ticket zu kaufen, ins Konzert zu gehen, diese Konzentration an den Tag zu legen – das hat abgenommen. Und natürlich machen die Kriegssituationen ein Konzertbesuch nicht leichter. Dieses Gefühl, ein Recht auf Entspannung zu haben, ist nicht da. Dieser Moment, sich selber eine Auszeit zu gönnen, ist auch weniger da.

Insgesamt haben wir einen schwierigeren Stand.
Sophie Pacini über die derzeitige Musik- und Konzertsituation

Ich hatte es so befürchtet

BR-KLASSIK: Hatten Sie das erwartet? Oder hatten sie die Hoffnung, dass die Leute bewusster wieder in die Konzertsäle streben und das Live-Erlebnis mehr aufsaugen?

Sophie Pacini: Ich hatte es, ehrlich gesagt, befürchtet. Es war auch der Grund, warum ich mich dann irgendwann zu Wort gemeldet habe und meine Bedenken zu diesem "Streaming-Überfluss" geäußert habe. Einfach aus der Angst heraus, dass die Relevanz für den Live-Moment in Vergessenheit gerät, dass sich Gewohnheiten verschrieben und dadurch Musik im Konzertsaal ein Luxusgut wird, auf das man verzichten kann.

BR-KLASSIK: Sie sind eine leidenschaftliche Verfechterin der analogen Live-Situation. Ich habe jetzt gelesen, dass Sie in Hamburg demnächst ein Konzert mit dem Steinway Spirio machen. Widerspricht sich das nicht?

Sophie Pacini: Auf diesem Spirio-Flügel kann man Klavierwerke einspielen, die er dann von alleine wiedergibt. Mit wirklich einer absolut klangetreuen Wiedergabe. Auch das Atmen und die Kunst der Pause kann dieses Instrument wiedergeben. Das hat in der Tat einen Echtheitsfaktor. Und das nicht nur von Pianisten und Pianistinnen heutzutage, sondern auch früherer Generationen. Das heißt, wenn man sich jetzt dieses Instrument ins Wohnzimmer stellen möchte, könnte man theoretisch auch Vladimir Horowitz oder die frühe Martha Argerich anhören. Und das Instrument spielt dann quasi, als würde der Geist derjenigen am Instrument sitzen.

Kann ein KI-Flügel den Pianisten abschaffen?

Die Pianistin Sophie Pacini | Bildquelle: Susanne Krauss Bildquelle: Susanne Krauss Ich muss allerdings ehrlich sagen: Für mich ist es ein Spagat. Denn auf der einen Seite möchte ich natürlich meine Leidenschaft und Liebe für Steinway weiterhin transportieren. Auf der anderen Seite ist dieser Spirio irgendwie auch ein Instrument, das den Pianisten in Zukunft vielleicht abschaffen könnte. Denn theoretisch kann er alleine spielen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir Pianistinnen und Pianisten uns dafür einsetzen, dieses neuartige KI-Gebilde in die Welt zu tragen, und zwar mit uns am Instrument! Was hier jetzt gemacht wird: Ich spiele in Hamburg ein Konzert, das zeitgleich in die Steinway-Häuser Deutschlands gestreamt wird. Dort stehen baugleiche Spirio-Flügel, die zeitgleich das spielen, was ich in Hamburg spiele. Somit bin ich zur gleichen Zeit an vielen Orten.

Für mich ist es ein Spagat.
Sophie Pacini über den Steinway Spirio

Langjähriger Wegbegleiter Frédéric Chopin

BR-KLASSIK: Jetzt spielen Sie aber auch selbst live und ohne KI, demnächst hier in der Nähe in Gauting, in Polling und in München. Und Sie spielen auch wieder viel Musik von Chopin aus Ihrem neuen Album "Puzzle". Chopin werden Sie nicht los?

Sophie Pacini: Ja – oder aber er wird mich nicht los … Das war schon immer eine enge Verbindung. Er hat mich durch meine Teenagerzeit gebracht und auch gerade in der Schulzeit, wo ich früh schon eine Außenseiterin war. Ich wollte nie als hochbegabt gesehen werden. Ich wollte auch nie als besonders gelten. Aber dadurch, dass ich früh zu konzertieren angefangen habe, viele Meisterkurse gemacht habe – und somit schon in frühen Jahren wenig in der Schule war, war ich automatisch eine Außenseiterin. Und die Musik von Chopin war für mich einfach so eine Welt, in die ich fliehen konnte.

Aber ich muss ganz ehrlich sagen, anfangs musste ich überzeugt werden, Chopin auch wirklich aufzunehmen. Vielleicht, weil ich ihn so sehr liebe und so eine enge Verbindung zu ihm habe. Und auch eine ganz andere Lesart: sehr dramatisch, sehr kantig, sehr realistisch, scharf und kontrastreich. Am Ende habe ich es getan, und ich hatte das Gefühl, es war wie so eine Art kleines Schulterklopfen, das ich von Chopin bekommen habe. Auf jeden Fall hat es mich bestärkt auf meinem Weg mit Chopin. Es gibt kein Konzert, bei dem ich nicht Chopin spiele.

Sendung: "Leporello" am 14. November 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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