Eine bisher unveröffentlichte Aufnahme der Saxophonlegende John Coltrane wurde entdeckt: Konzertmitschnitte aus dem Jahr 1961. Coltrane ist hier im angeregten Wechselspiel mit einem anderen herausragenden Instrumentalisten des Jazz: Eric Dolphy.
Bildquelle: Impulse
Erstmal warten und zuhören, denn Saxophon-Gott John Coltrane spielt erstmal nicht. Er macht Platz für seinen Kollegen Eric Dolphy, denn dieser Blasinstrumentalist eröffnet mit einem ausgiebigen Querflöten-Solo das Album "Evenings at the Village Gate". Sechseinhalb Minuten dauert es, bis Coltranes Sopransaxophon das erste Mal erklingt und er eines seiner unverwechselbaren, expressiven Soli spielt.
Bildquelle: Herb Snitzer Bisher unveröffentlichte Live-Aufnahmen aus dem Jahr 1961 aus dem New Yorker Jazzclub "Village Gate" sind nun erschienen, in besonderer Besetzung, denn im Jahr 1961 trat John Coltrane immer wieder im Quintett mit einem zusätzlichen Solisten auf: Eric Dolphy spielte Querflöte, Altsaxophon und Bassklarinette. Coltrane nimmt sich an etlichen Stellen zurück, Eric Dolphy darf die Themen der Stücke spielen, bekommt die ersten Soli, spielt oft sogar länger als John Coltrane, der sonst in dieser Schaffensphase Anfang der 1960er Jahre gerne auch mal zehnminütige Mammut-Soli durch sein Saxophon pustete.
"John Coltrane suchte das Neue", so schreibt es Bassist Reggie Workman im Begleittext des Albums, der einzige noch lebende Musiker des Quintetts. Coltrane war zwar zeitlebens ein Suchender, aber 1961 war er besonders empfänglich für Neues. So entdeckte Coltrane in dieser Zeit das hohe Sopransaxophon für sich; bei vier der fünf Stücke auf "Evenings at the Village Gate" spielt er dieses markante Instrument und nur einmal ist das Tenorsaxophon zu hören.
Natürlich klingt das Live-Album "Evenings at the Village Gate" genau nach dem, was es ist: ein Dokument! Eine Momentaufnahme von Musikern, die die Jazzgeschichte für immer geprägt haben. Die Klangqualität ist okay, mehr nicht. Aber die Energie dieser Aufnahmen vermittelt gut, warum John Coltrane und seine Band so bedeutend für den Jazz wurden: In dieser Musik geht es um etwas! Die Soli sind Entwicklungsprozesse hin zum tiefen, existentiellen Ausdruck der innersten Seele.
Wenn man die Augen schließt und die Musik laut dreht, dann kann man sich sehr gut vorstellt, man würde am ersten Tisch im Jazzclub sitzen, John Coltrane auf einem leeren Stuhl neben einem und gemeinsam mit dem Meister würde man den kernigen Tönen von Eric Dolphy lauschen. Wenn ein Album solche Bilder hervorrufen kann, ist es durchaus gelungen. "Evenings at the Village Gate" kann das!
Evenings at the Village Gate
John Coltrane (Sopran- und Tenorsaxophon)
Eric Dolphy (Bassklarinette, Querflöte, Altsaxophon)
McCoy Tyner (Klavier)
Art Davis (Kontrabass)
Reggie Workmann (Kontrabass)
Elvin Jones (Schlagzeug)
Label: Impulse!
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