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Johannes Moser spielt Martinů Gegen den schlechten Ruf

Die Musik von Bohuslav Martinů gilt als sperrig. Zu Unrecht, findet der Cellist Johannes Moser. Er hat gemeinsam mit dem Pianisten Andrej Korobeinikov die Cellosonaten Martinůs aufgenommen. Am 28. November spielt Moser live im BR-KLASSIK-Studiokonzert.

Bildquelle: © BR/Sabrina Wanninger

Zu Gast beim BR-KLASSIK-Studiokonzert

Interview mit Johannes Moser

BR-KLASSIK: Johannes Moser, man kann schon von einer echten Schweinerei sprechen, wenn wir auf die Aufnahme mit Martinů-Sonaten zurückblicken. Denn als ich das Booklet dieser CD durchgeblättert habe, da sah man Sie gemeinsam mit Andrei Korobeinikov und mit Schweinen auf einer Wiese posieren. Warum?

Johannes Moser: Ja, wir sind ins Ländliche nach Holland gegangen und haben uns dort für vier Tage in die Einöde begeben. Und tatsächlich haben wir da nur für den Tonmeister und ein paar Schweine die drei Martinů-Sonaten eingespielt. Das war ein schweinisches Vergnügen! Also diese Sonaten gehören wirklich zum Besten, was das Repertoire zu bieten hat. Da ist alles drin: von Tiefgründigkeit bis zu Spielfreude, großer Intimität, Gesanglichkeit und hymnischer Qualität. Diese Sonaten sind mir wirklich sehr ans Herz gewachsen.

Bohuslav Martinů ist ein großer Melodiker und er ist ein rhythmisch unheimlich interessanter Komponist.
Johannes Moser

BR-KLASSIK: Die Martinů-Sonaten sind bei den Cellisten nicht so im Fokus wie die Sonaten von Prokofjew oder Brahms. Was ist der Grund dafür?

Johannes Moser: Ich glaube, dass Martinů ein bisschen der schlechte Ruf vorauseilt, er sei recht sperrig und  nicht so leicht zu konsumieren. Wir haben mit diesem Album versucht, das Gegenteil zu beweisen. Und es ist uns, glaube ich, auch gelungen. Martinů hat wahnsinnig viel geschrieben. Er ist unter anderem bekannt für seine vielen Synkopierungen. Und das finden viele Menschen ermüdend. Aber da ist eben weit mehr als das. Er ist ein großer Melodiker und er ist ein rhythmisch unheimlich interessanter Komponist. Insofern glaube ich, die die einzige Art und Weise, wie man diesem schlechten Ruf begegnen kann, ist, dass man einfach reinhört in Martinů und und ihn entdeckt. Martinů kann so viel!

Martinůs Leben und Musik: geprägt von Flucht und Emigration

BR-KLASSIK: Er war ja Tscheche, lebte in Paris, ist dann aber nach den USA emigriert. Die zweite Sonate, die Sie im BR-KLASSIK-Studiokonzert spielen, wurde 1941 fertiggestellt. Was spricht denn aus diesen drei Sätzen, aus dieser Musik für Sie?

Johannes Moser (Cellist) und Andrei Korobeinikov (Pianist) | Bildquelle: © Sarah Wijzenbeek Johannes Moser und Andrei Korobeinikov. | Bildquelle: © Sarah Wijzenbeek Johannes Moser: Ja, es gibt diesen starken Paris-Bezug, der sich in der Melodik bemerkbar macht. Aber es gibt eben auch eine große Unruhe in dieser Sonate. Und ich glaube, für jemanden wie Martinů, der 1941 nun wirklich nicht wusste, wie sein Leben weitergehen soll (er ist ja dann nach Amerika ausgewandert) – man merkt, da ist ein Unterton von großer Rastlosigkeit. Diese Energie spürt man vor allem im letzten Satz, der wirklich unheimlich stürmisch ist. Immer wieder bricht diese Frage hervor: Wie soll es weitergehen...? In der dritten Sonate dagegen (die wir im Konzert nicht spielen, aber die auf unserer Aufnahme zu hören ist), da ist sehr viel Ruhe, da ist sehr viel mehr Antwort. Ich würde also sagen, dass in dieser zweiten Sonate, die wir jetzt im Studiokonzert spielen, viel mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben werden.

Sohn eines Türmers: Glockenschläge prägten Martinůs Kindheit

BR-KLASSIK: Martinů ist ja nicht wirklich heimisch geworden in Amerika...

Johannes Moser: Ja, ich glaube, Martinů passt einfach nicht ins amerikanische Flair. Er war sehr schwierig im Umgang. Martinů ist ja als Kind in einem Turm aufgewachsen. Sein Vater war Türmer. Zu Hause hat also permanent die Glocke geschlagen, die Familie lebte in ärmlichsten Verhältnissen. (Diesen Turm gibt es übrigens noch, und auch die Wohnung, sodaß man sich gut vorstellen kann, wie es dort zuging.) Das war sehr spartanisch, sehr ärmlich und halt jede Stunde diese Glockenschläge. Wenn man die ganze Zeit diesem Läuten ausgesetzt ist, dann macht was mit dem Menschen!

Ich glaube, Martinů – wie so viele Immigranten – war nicht wirklich für dieses amerikanische Idiom geschaffen. Trotzdem, denke ich, hat er sich irgendwie versucht zu arrangieren, aber heimisch ist er in Amerika nicht geworden.

Andrei Korobeinikov ist einer meiner absoluten Lieblingsmenschen – in seiner Offenheit und auch in seinem musikalischen Forschergeist.
Johannes Moser

BR-KLASSIK: Nun sind Sie beide – Johannes Moser und Andrej Korobeinikov – zwei ganz unterschiedliche Persönlichkeiten: sie ein ganz extrovertierter Mensch, der viel im Netz unterwegs ist, der sich viel digital äußert, und dann auf der anderen Seite ein Andrei Korobeinikov – ein Analytiker, ein eher zurückgezogener, introvertierter Typ. Wie kommen Sie musikalisch zusammen?

Johannes Moser: Also dass Andrei introvertiert ist, das ist auf jeden Fall richtig – bis zum ersten Wodka...! Danach lösen sich eigentlich alle Dämme und es wird äußerst persönlich. Andrei ist wirklich einer meiner absoluten Lieblingsmenschen – in seiner Offenheit und auch in seinem musikalischen Forschergeist! In seinem Willen für Spontanität sucht er seinesgleichen. Ich glaube, was uns auf der Bühne vereint, ist eine große Neugier und auch mal der Wille, die Dinge, die man geprobt hat, hinter sich zu lassen und sie nur als Sprungbrett zu benutzen und spontan im Konzert neues Terrain zu erproben und und zu erforschen. Und so wird ein Konzert mit Andrei zu einem Abenteuer und nicht so sehr zu einem bloßen Abspulen von eingeübten Ritualen. Das macht die Musik für mich lebendig und eben nicht museal, was ja der Klassik oft zum Vorwurf gemacht wird. Das ist wirklich Musik im "jetzt"!

Johannes Moser live im BR-KLASSIK-Studiokonzert

Am 28. November spielen Johannes Moser und Andrei Korobeinikov live im Studio 2 im BR-Funkhaus in München.
BR-KLASSIK überträgt das Konzert live am Dienstag, 28. November, ab 20:05 Uhr im Radio.

Achtung, kurzfristige Änderung: Paul Rivinius übernimmt bei diesem Konzert den Klavierpart anstelle von Andrei Korobeinikov, der krankheitsbedingt ausfällt. Auch das Programm wird etwas abgewandelt: Anstelle der Violoncellosonate Nr. 2 von Bohuslav Martinů steht die Violoncellosonate C-Dur von Sergej Prokofjew auf dem Programm.

Weitere Termine der BR-KLASSIK-Studiokonzerte finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 22. November 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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