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Zum Tod des Jazzmusikers Karl Berger Erforscher von Hör-Horizonten

Der Jazzmusiker Karl Berger ist tot. Der Vibraphonist und Pianist aus Deutschland ging früh in die USA und hatte dort Einfluss auf viele andere Musiker. Er arbeitete mit so berühmten Kolleginnen und Kollegen wie Pharoah Sanders, Angélique Kidjo und auch dem Avantgarde-Komponisten John Cage zusammen. Und er machte "Weltmusik", lange bevor dieser Begriff geläufig war. Am 9. April 2023 ist Karl Berger in Albany, New York im Alter von 88 Jahren gestorben.

Musiker und Komponist Karl Berger | Bildquelle: SWR/Dokumentation "Karl Berger - Music Mind"

Bildquelle: SWR/Dokumentation "Karl Berger - Music Mind"

Kaum ein anderer deutscher Jazzmusiker setzte sich so nachhaltig in den USA durch wie er: Der Vibraphonist und Pianist Karl Berger war ein Musiker, den es besonders dazu drängte, nicht bei Erreichtem stehenzubleiben. Sein Schaffen ist von einer ständigen Suche nach neuen Horizonten geprägt – und auch davon, dass er das Ohr auch auf das richtete, was hinter diesen Horizonten war. Nur so kam es, dass der 1935 in Heidelberg geborene Musiker zu einer international bedeutenden Figur zunächst des Free Jazz und schließlich der sogenannten "Weltmusik" wurde. Karl Berger war das Gegenteil eines musikalischen Eurozentrikers. Ihn interessierten musikalische Wurzeln unterschiedlichster Art – und das Freilegen dieser Wurzeln in aktuellen Klängen.

Karl Berger: JAZZER MIT DOKTORTITEL

Eines seiner Geheimnisse lag in seiner speziellen Ausbildung: Berger war zum einen aktiver Musiker, aber zum anderen auch Wissenschaftler. Er hatte Musikwissenschaft und Soziologie studiert und führte einen Doktortitel. Das Thema seiner Promotion im Jahr 1963 handelte von der Rolle der Musik in der "Sowjetideologie". Musik war für ihn immer auch Erforschung von Neuland. Kein Wunder, dass es diesen Musiker bereits nach seinem Studium ins Ausland zog: zunächst nach Paris, wo er unter anderem mit dem berühmten Trompeter Don Cherry Musik machte, einem herausragenden Musiker des Free Jazz und später auch eines sich der Weltmusik öffnenden Jazz. 1966 zog er dann mit seiner Familie nach New York, spielte dort besonders viel Vibraphon und wurde dort wenig später von der Kritik gefeiert als Musiker, dessen "atonale Klangprodukte" besonders viel Kraft und Kontur hatten. 1971 brachte das deutsche Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" einen Beitrag über diesen ungewöhnlichen deutschen Musiker, der damals als einziger "auf dem Vibraphon eine überzeugende Free-Jazz-Spielweise gefunden" habe – und als Gründer einer "Creative Music Foundation".

Karl Berger gründete CREATIVE MUSIC FOUNDATION IN WOODSTOCK

Aus der "Creative Music Foundation" wurde 1973 ein "Creative Music Studio" in Woodstock, wo so bedeutende Musiker wie John Cage, Steve Lacy, George Russell und Richard Teitelbaum unterrichteten. Die Dozenten bildeten dabei mit ihren Schülern auch große Orchester.

MIT CARLA BLEY IM "ESCALATOR"

Berger war als Vibraphonist auch an einem herausragenden Album beteiligt, mit dem der Jazz spektakulär die eigenen Grenzen sprengte: "Escalator Over The Hill" von Pianistin und Komponistin Carla Bley, einer "Jazz-Oper" nach Texten des Lyrikers Paul Haines, bei deren Aufnahmen von 1968 bis 1971 führende Musiker:innen unterschiedlichster Genres von Country-Stimme Linda Ronstadt über Rock-Bassist Jack Bruce bis hin zu Jazz-Tubist Howard Johnson versammelt waren. Kein Zufall, dass Berger auch in diesem Line-up auftauchte.

MUSIKER, ARRANGEUR UND ANREGER

Für hervorragende Aufnahmen von Musiker:innen wie der aus dem Benin stammenden französischen Singer-Songwriterin Angélique Kidjo oder auch deren New Yorker Kollegin Natalie Merchant schrieb Berger Arrangements und leitete Streichergruppen – und dies bis in die 2010er-Jahre hinein. Wenn er selbst in seiner langen Karriere als Musiker ins Rampenlicht trat, konnte etwas so Kammermusikalisch-Durchpulstes herauskommen wie die Duos, die Berger 1991 mit dem Gitarristen Paul Shigihara veröffentlichte: wunderschöne Musik, aber auch Musik, die nach anderen Horizonten sucht. Mit ihr bereicherte der gebürtige Heidelberger, der eigentlich Karlhanns Berger hieß, viele unterschiedliche Musiker:innen und Zuhörer:innen der Welt. Was er einst, laut "SPIEGEL", an Deutschland kritisierte, dass man hier "seine Kräfte auf der Suche nach Kommunikation" verschleiße, passierte ihm nicht: Er nutzte seine Kräfte für viele nachhaltige Impulse.

Sendung: "Leporello" am 11. April 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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