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Maddalena Casulana Pionierin der Renaissancezeit wiederentdeckt

Maddalena Casulana war die erste Frau, die ihre eigene Musik veröffentlicht hat. Nach einem sensationellen Notenfund wird die Musik dieser Komponistin aus der späten Renaissancezeit nun wiederaufgeführt.

Eine vornehm gekleidete junge Frau spielt auf einer Laute. | Bildquelle: Galleria Sabauda

Bildquelle: Galleria Sabauda

Die Sängerin Hannah Ely bekommt Gänsehaut, wenn sie an das  Konzert vor rund zwei Jahren denkt: Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert hat sie verloren geglaubte Madrigale von Maddalena Casulana mit dem Fieri Consort wiederaufgeführt. Bei den Stücken fehlten bis dato die Altstimmen. Die englische Musikwissenschaftlerin Laurie Stras hat sie zufällig bei einer Online-Recherche in einem Bibliothekskatalog entdeckt. Die Wiederaufführung dieser Madrigale hat eine ganz schöne Welle ausgelöst. "Seit dieser Wiederentdeckung wollen so viele Leute Casulanas Musik aufführen, und ich liebe es!", schwärmt Hannah Ely. "Je mehr ihre Stücke gesungen werden, umso mehr verschiedene Interpretationen bekommen wir, und umso besser verstehen wir, wie großartig sie war."

Biografie über die Komponistin Maddalena Casulana ist in Arbeit

Weniger großartig ist dagegen unser Wissensstand zur Biografie der Komponistin. Nicht einmal ihre genauen Lebensdaten sind bekannt. Geboren irgendwann um 1544, liest man in den schmallippigen Lexikoneinträgen zu Casulana. Und auch sonst gibt es viele Lücken in ihrer Biografie. Eine, die das ändern will, ist die französische Musikwissenschaftlerin Catherine Deutsch. Sie arbeitet derzeit an einer Biografie der Komponistin und hat viele neue Details über Casulanas Leben ausgegraben. Zum Beispiel, dass sie wahrscheinlich zehn bis fünfzehn Jahre früher geboren ist als bisher angenommen. Auch war sie nicht einmal, sondern zweimal verheiratet: Laut der neuen Forschungsergebnisse lebte Casulana gegen Ende der 1560er-Jahre einige Zeit von ihrem erste Mann getrennt. "Eine gesellschaftlich angreifbare Situation", so die Musikwissenschaftlerin.

Maddalena Casulana vertonte einen weiblichen Orgasmus

Aber Catherine Deutsch betont auch, dass die Komponistin Maddalena Casulana ihren Weg trotzdem gemacht hat. Als erste Frau in der Musikgeschichte veröffentlichte sie ihre eigene Musik und wurde zur Vorreiterin für spätere Kolleginnen wie Barbara Strozzi oder Francesca Caccini. In einer Zeit, in der musizierende Frauen schnell in die Kurtisanenecke gestellt wurden, übte Casulana somit den ernst zu nehmenden Beruf einer Komponistin aus. Sie bediente sich dabei auch der Themen, die für ihre männlichen Kollegen ganz selbstverständlich waren. In ihrem Madrigal "A caso un giorno" beschreibt sie ganz offen einen weiblichen Orgasmus. "Das ist doch ziemlich unglaublich", meint Catherine Deutsch, "eine Frau, die einen weiblichen Orgasmus vertont, und das im Jahr 1568!"

Partituren zu Maddalena Casulanas Musik unvollständig

Die Musik zu diesem Stück ist leider nicht vollständig überliefert. Es fehlen Alt- und Bassstimme. Aber wer weiß schon, welche Schätze noch unentdeckt in den Archiven schlummern? Die Geschichte von Maddalena Casulana ist längst noch nicht fertig erzählt. Es gibt viele neue Details in ihrer Musik und aus ihrem Leben. Zum Beispiel, dass sie gegen ihren ersten Mann einen Prozess angestrengt hat oder wie sie in ihren Madrigalen mit der Geschlechterfrage spielt. Frauen wie Laurie Strass, Catherine Deutsch und Hannah Ely erzählen ihre Geschichte weiter und finden in Casulana auch Spiegelpunkte ins Heute. Hannah Ely findet: "Sie ist eine moderne Frau, sie ist unabhängig, verdient selbst ihr Geld und sie schafft ein Erbe für die Nachwelt. Das war in der damaligen Zeit etwas Neues."

Sendung: "Allegro" am 3. Mai 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Samstag, 04.Mai, 07:25 Uhr

G. Achmüller

Spannendes und wichtiges Thema

Spannend! Und wichtig, dass solche Geschichten erzählt werden.

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