Musikwissenschaftlerin Marlies Lüpke will Komponistinnen sichtbarer machen und hat dazu in München einen Stadtrundgang mit dem Titel "Musikstadt München – weiblich!" entworfen. Zum Weltfrauentag verrät sie BR-KLASSIK, welche vergessenen Musikfrauen es in München zu entdecken gibt."
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BR-KLASSIK: Frau Lüpke, warum haben Sie diesen Stadtrundgang zu komponierenden Frauen in München entworfen?
Marlies Lüpke: Ich fand es dringend nötig, darauf hinzuweisen, dass unter den vielen Künstlerinnen, die in München gewirkt haben, die Komponistinnen doch irgendwie ins Hintertreffen geraten sind. Die Literatinnen oder die Künstlerinnen sind eher bekannt, aber die Komponistinnen schienen mir noch unbekannt zu sein.
BR-KLASSIK: Woran liegt das?
Marlies Lüpke: Ich denke, dass die Komponistinnen es besonders schwer hatten, weil sie viel mehr als die anderen Künstlerinnen auf Männer angewiesen waren - nämlich auf Orchester, die ihre Musik spielen. Wenn wir uns die Orchesterlandschaft anschauen, gerade in München bis in die 1960er-Jahre, spielt da meist eine einzige Frau mit - und zwar an der Harfe. Die Orchesterlandschaft war sehr männerdominiert. Auch die Musikgeschichtsschreibung ist eine absolute Männerdomäne. Komponistinnen sind peu à peu verschwunden, auch aus den führenden Musiklexika. Das ist wirklich schockierend.
Komponistinnen hatten es besonders schwer, weil sie mehr als andere Künstlerinnen auf Männer angewiesen waren.
BR-KLASSIK: Der Rundgang durch die Münchner Innenstadt dauert zwei Stunden. Wen lernen Teilnehmer:innen dabei kennen?
Luise Adolpha Le Beau ist eine der vier Komponistinnen, die man beim Musikspaziergang "Musikstadt München – weiblich!" entdecken kann. | Bildquelle: picture alliance / Heritage Images
Marlies Lüpke: Ich habe mich für vier Komponistinnen entschieden. Ich fange an mit Maria Antonia Walpurgis, die schon im 18. Jahrhundert erstaunlicherweise zwei Opern geschrieben hat und eng verbunden mit dem Wittelsbacher Herrscherhaus war. Sie ist die Schwester von Kurfürst Max Joseph. Dann gibt es Josephine Lang, die Anfang des 19. Jahrhunderts in München geboren wurde und uns wunderbare Lieder hinterlassen hat. Besonders fasziniert hat mich Luise Adolpha Le Beau. Sie ist 1874 nach München gekommen, um Komposition zu studieren. Das war damals ganz unerhört für eine Frau. Am Schluss ein Sprung ins 20. Jahrhundert zu Gunild Keetman, die im Schatten des großen Carl Orff steht, als Mitarbeiterin oder Schülerin bezeichnet wird. Diese Frau wollte ich mehr ins Licht rücken.
BR-KLASSIK: Sie sagten, Frauen verschwanden in der Musikgeschichtsschreibung nach und nach. Mussten Sie viel graben, um mehr über die Komponistinnen herauszufinden?
Marlies Lüpke: Es gibt zwar Publikationen und viele Internetbeiträge. Aber ja, ich habe viel im Stadtarchiv gegraben. Zum Beispiel wollte ich wissen, wo Josephine Lang gewohnt hat. Als Frau hatte sie keinen eigenen Eintrag, aber über ihren Vater, der Mitglied der Hofkapelle war, habe ich in einem der alten Adressbücher etwas im Stadtarchiv gefunden. Im Bildarchiv habe ich dann tatsächlich ein Foto des Hauses gefunden. Das zeige ich auch bei der Führung.
Münchner Musikspaziergänge: Wo haben Münchner Komponistinnen gelebt und gewirkt, wo wurde ihre Musik aufgeführt – und wo wurde ihnen dieses verwehrt? Vom Promenadeplatz aus besuchen Sie Orte, die eng mit ihren Biographien verbunden sind.
Sendung: "Allegro" am 7. März 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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