BR-KLASSIK

Inhalt

Neues Konzerthaus in München Abgespeckte Variante reicht nicht!

Bayern hat bereits unzählige Kulturbaustellen. Viele Theater und Säle müssen gerade aufwändig modernisiert werden. Umso wichtiger ist jetzt ein architektonisches Ausrufezeichen für die Hochkultur, findet BR-KLASSSIK-Autor Peter Jungblut.

Konzertsaal Entwurf, Sieger Wettbewerb Architekturbüro Cukrowicz Nachbaur | Bildquelle: Cukrowicz Nachbaur Architekten; www.cn-architekten.at

Bildquelle: Cukrowicz Nachbaur Architekten; www.cn-architekten.at

Natürlich hat München viele Neider, innerhalb und außerhalb Bayerns. Und es stimmt ja: Die Stadt protzt gern mit ihrem Kulturangebot, neuerdings mit Popkonzerten, die so ziemlich alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen. Zehn Mal hintereinander Adele vor jeweils 80.000 Zuschauern: Ja, wo gibt's denn sowas? Da ist der Größenwahn nicht weit.

Ein Weltklasse-Konzertsaal für 500 Millionen Euro? Unglaubwürdig!

Sieger-Modell des Architekturbüros Cukrowicz Nachbaur Architekten für das neue Münchner Konzerthaus | Bildquelle: picture-alliance/dpa/Tobias Hase Der "Schneewittchensarg" ist passé: Das Modell des Architekturbüros Cukrowicz Nachbaur wird nun doch nicht gebaut. | Bildquelle: picture-alliance/dpa/Tobias Hase Kein Wunder, dass sich in der bayerischen Fläche die Begeisterung für einen milliardenteuren Münchner Konzertsaal sehr in Grenzen hielt. Weitere 1,3 Milliarden Euro, mindestens, für die Hochkultur an der Isar? War wohl nicht vermittelbar, jedenfalls nicht der Bayerischen Staatsregierung. Jetzt soll das Projekt nur noch 500 Millionen kosten und trotzdem Weltniveau haben, was die Akustik und die digitale Ausstattung angeht. Ist das glaubwürdig? Eher nicht, zumal der 2018 mit großem Brimborium vorgestellte Architektenentwurf eines Bregenzer Büros, auch als "Schneewittchensarg" bezeichnet, im Papierkorb landet und damit schon mal rund 30 Millionen Euro verbrannt wurden.

Jetzt wird neu ausgeschrieben. Wie es heißt, soll die Tiefgarage kleiner werden, sollen weniger Büros und Lagerräume vorgesehen sein, wird es wohl auch keinen Kleinen Saal geben. Aber die Kosten werden trotzdem davongaloppieren, bei einem zeitgemäßen Auditorium, das 1.900 Zuschauer fassen und 2036 fertiggestellt werden soll. Die Unwägbarkeiten sind bis dahin enorm, und die gibt es leider selten umsonst. Ob das Konzerthaus wirklich einen Teil seiner Baukosten selbst einspielen kann, wie die Staatsregierung offenbar hofft, ist äußerst fraglich. Es wäre schon viel gewonnen, wenn sich der laufende Betrieb einigermaßen trägt: Bei der Bayerischen Staatsoper liegt der Eigenanteil der Finanzmittel bei rund 15 Prozent.

Die aktuelle Konzertsaal-Sitation in München ist beschämend

Herkulessaal der Münchner Residenz - Finale im Fach Gesang - ARD Musikwettbewerb 2018 | Bildquelle: © Daniel Delang Der Herkulessaal der Münchner Residenz. | Bildquelle: © Daniel Delang Und trotzdem ist München ein neues Konzerthaus dringend zu wünschen. Eine Stadt mit drei der besten Orchester der Welt braucht einen dafür angemessenen, international konkurrenzfähigen Saal. Die aktuelle Situation ist beschämend: Der altertümliche Herkulessaal in der Münchner Residenz ist akustisch allenfalls Durchschnitt. Das Kulturzentrum Gasteig ist bekanntlich wegen Generalsanierung auf Jahre hinaus geschlossen und bröckelt vor sich hin. Mal sehen, was bis Ende 2032 passiert, so der offiziell verkündete Zeitplan. Die Begeisterung aller Beteiligten ist äußerst gedämpft. Das schicke, aber provisorische Ausweichquartier, die Isarphilharmonie im Süden der Stadt, muss so lange auf jeden Fall durchhalten. Hoffentlich geht's gut.

Für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, für die Münchner Philharmoniker und für das Bayerische Staatsorchester, das normalerweise in dem ebenfalls renovierungsbedürftigen Nationaltheater spielt, ist das eine äußerst trübe mittelfristige Perspektive. Kein Wunder, dass asiatische und amerikanische Musikfreunde gelegentlich das Gefühl haben, in einem Museumsdorf gelandet zu ein, wenn sie in München eintreffen.

Architektonisches Ausrufezeichen für Hochkultur

Klar, Bayern hat unzählige Kulturbaustellen. Fast alle Theater, die nach dem Krieg gebaut oder wiederhergestellt wurden, müssen aufwändig modernisiert werden. Fast überall entdecken die Projektleiter völlig marode Technik, undichte Wände, statische Fragezeichen, mit anderen Worten: Teure und langwierige Zusatzaufgaben. Augsburger, Würzburger, Coburger, Landshuter und Nürnberger wissen genauer, wovon die Rede ist. Da lassen manche angesichts jahrelanger Verzögerungen den Mut sinken.

Umso wichtiger ist jetzt ein architektonisches Ausrufezeichen für die Hochkultur. Muss ja nicht ganz so weit in den Himmel ragen wie die Elbphilharmonie. Obwohl: Bescheidenheit wäre in München eine ganz neue Erfahrung.

Sendung: "Allegro" am 12. Juni 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (6)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Montag, 17.Juni, 18:22 Uhr

Dino Saurier

Selber schuld

Es stimmt: Diese Lösung ist ein Witz. Und es ist beschämend, dass sich Simon Rattle und die Intendantin damit zufrieden geben. Das Orchester bekommt ca. 15 Jahre nach den Philharmonikern eine Isarphilharmonie 2.0, aber nicht als Provisorium, sondern als Dauerzustand. Hätte es mal mit der Stadt München zusammengesabeitet, wären der Gasteig und der Herkulessaal vielleicht längst renoviert und beide Orchester hätten gleichberechtigt zwei hervorragende Spielstätten. Aber vielleicht spielt das BRSO ja in ca. zehn Jahren freiwillig lieber dort als in seinem "eigenen" Saal.

Freitag, 14.Juni, 09:54 Uhr

Neuhauser

"das Land" jammert immer und bei jeder Gelegenhei

@laios
Die alte Leier von der "Sozial- und Finanzelite" die sich in München kulturell unterhalten lässt hat noch nie gestimmt und wir auch nicht wahrer, wenn sie immer wieder wiederholt wird. Kommen Sie in die Konzertsäle und ins Nationaltheater in München und schauen Sie sich das Publikum an, vielleicht treffen Sie Ihre estnische Putzfrau oder ihren Hausmeister. Auf alle Fälle treffen Sie viele Rentner, die es sich nicht leisten können in den Bayerwald zu fahren.

Donnerstag, 13.Juni, 18:38 Uhr

Laios

Alles nach München und nichts aufs Land, ungerecht

Nein, München bekommt schon zuviel öffentliche Mittel an allen Ecken und Enden. Bayern ist ein Flächenland, die Verfassung verlangt gleiche Lebensbedingungen überall, also darf nicht München noch mehr bekommen, die anderen Regionen aber nichts. Das wäre verfassungswidrig und den Menschen auf dem Land gegenüber ungerecht.
Geld lieber für bezahlbare Kultur für alle, nicht für eine kleine Finanz- und Sozialelite in München, die sich in einem solchen Projekt selbst gefällt.
Kulturgeld auch für die Rhön, den Frankenwald, den Bayerwald, nicht alles immer nach München. Man kann jeden Euro nur einmal ausgeben.

Donnerstag, 13.Juni, 14:12 Uhr

Albert Hellmeier

Konzerthaus

Bloß jetzt nicht kleckern! Das wäre für München und Bayern eine glatte Katastrophe. 3 Sptzenorchester brauchen einen entsprechenden Konzertsaal, keine Schuhschachtel. Ein bisserl sollte man schon nach Hamburg schielen...

Mittwoch, 12.Juni, 22:45 Uhr

Walter Lange

Hochkultur

Mit der Entscheidung die Mittel für das neue Münchner Konzerthaus um mehr als die Hälfte zu reduzieren, passt sich die "Hochkultur an der Isar" offenbar der gesellschaftlichen Entwicklung in diesem Land an, in dem die Hochkultur zunehmend gefährdet erscheint : Immer mehr Femizide, immer mehr Suizide, immer mehr Gewalt in den Stadien und auf den Straßen.

Mittwoch, 12.Juni, 18:35 Uhr

TFF

Hochmuth kommt vor dem (Zer-)Fall

Ein Projekt, das sich niemals finanziell tragen wird. Drei Orchester von Weltrang sollen tatsächlich noch 2036 in München selbstständig bestehen? Echt jetzt?
Bei immer höher steigenden Renten-/ Sozial - und leider neuerdings steigenden Militärausgaben? Welche Generation soll das bitte finanzieren?
Meine Generation der 80er Jahrgänge wird es nicht und hat auch nur mäßig Interesse.
Besser den Gasteig ordentlich recyceln vlt. steigt ein Autohersteller als Namensträger groß ein aber vermeidet ein „München36“ so wie Stuttgart21.

Mehr zum Thema

Neu bei BR-KLASSIK

    AV-Player